Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
Bulletins angeschlagen wurden, die Stiffts Unterschrift trugen, wurde von unbekannter Hand daneben geschrieben: „Siehe Technologisches Lexikon, Stift.“ Schlug man dort nach, konnte man lesen: „Stift ist ein Nagel ohne Kopf.“
WIE SOLL ES WEITERGEHEN?
George Bernard Shaw hat einmal gesagt: „Die Medizin ist eine Kunst, keine Wissenschaft.“
Dieser Ausspruch muß modifiziert werden.
Die Medizin ist eine Wissenschaft, keine Kunst.
Die Heilkunde ist eine Kunst, keine Wissenschaft.
Sollte ich es mir aussuchen dürfen, so möchte ich als persönlichen Arzt einen Beherrscher der Kunst.
Es besteht die Gefahr, daß die Medizin zu einer rein technischapparativen Disziplin wird, wenn unsere jungen Kollegen die Blutabnahme für die Laboruntersuchungen bereits durchführen, ohne dem Patienten vorher richtig ins Gesicht gesehen zu haben, und weiter glauben, ihn nur in eine Röhre stecken zu müssen, damit am anderen Ende die Diagnose herauskommt. Wenn sich der Arzt vom Kranken als Mitmenschen abwendet, darf er sich nicht wundern, wenn sich der Patient anderen „Heilern“ zuwendet.
Ich wünsche mir eine humanitäre Medizin, die den gesunden Menschen aufmerksam beobachtet, den kranken Menschen verständnisvoll betreut und den sterbenden Menschen nicht allein läßt. Wen ich mir persönlich als behandelnden Arzt wünsche, wenn es einmal ernst wird? Sollte er mein Schüler gewesen sein, so hoffe ich, daß er mich in guter Erinnerung hat. Sollte er sämtliche Apparaturen und Analysen perfekt beherrschen und daran glauben, möge er mir aus dem Weg gehen. Sollte es ein erfahrener Arzt sein, der sehen, denken und fühlen kann, so bitte ich ihn zu bleiben.
Praktische Medizin ist praktizierte Mitmenschlichkeit.
Was die Forschung betrifft, so kann das Niveau nicht erzwungen werden. Es lassen sich lediglich bessere Bedingungen schaffen. Von außen durch materielle Förderungen, von innen durch die Auswahl der Berufenen ausschließlich nach Leistung, nicht nach Intervention, Protektion und Cliquenbildung.
Hirnschmalz sollte honoriert werden!
Die Universitätskliniken brauchen attraktive Positionen für behandelnde Ärzte; dies muß aber auch wirtschaftlich akzeptabel sein. Nur so wird verhindert, daß die Universitätstätigkeit zum Nebenberuf und die Praxis oder das Privatlaboratorium zum Haupterwerb wird. Im Schlagschatten der Universitätskliniken findet man des öfteren die „goldene Meile“, wo z. B. Hormonelixiere für die ewige Jugend ausgeschenkt werden, Lifting und Correcting von Körper und Gesicht angeboten wird, Sexualberatungen mit Erfolgsgarantie beworben werden und den Privatpatienten überhaupt jeder Wunsch der Vor- und Nachbehandlung von den Augen abgelesen wird.
Kann jemand Universitätsprofessor werden, ohne sich anzustrengen?
Wo? In Berlin. Wann? Ende des 19. Jahrhunderts.
Der Pathologe Rudolf Virchow war gefürchtet wegen seiner scharfen Zunge. Bei einer Diskussion über die Vererbung von Berufsbegabungen sagte er einmal zu seinen Kollegen:
„Meine Herren, wir brauchen zum Beweis einer Berufsbegabung gar nicht weit zu gehen. Wir sehen es zum Beispiel beim Betrachten der Lehrkörper unserer Universitäten immer wieder, daß sich die Fähigkeit, eine ordentliche Professur zu bekleiden, nicht nur vom Vater auf den Sohn, sondern sogar vom Vater auf den Schwiegersohn vererbt.“
Konnte so etwas wirklich nur in Berlin und in der Vergangenheit geschehen?
Zudem wäre alles ganz einfach, würden Politiker die Gabe besitzen, auch manchmal einzugestehen, daß sie Fehler gemacht haben. Der Bürokratismus ist die Geißel der Universitätsmedizin geworden, da höchst qualifizierte Hochschulprofessoren zu end- und sinnlosen Sitzungen verpflichtet werden, wo schließlich jene das Sagen haben, die nicht forschen, nicht lehren und auch nicht heilen, sondern nur darüber reden.
Politiker sollten weise werden, hat schon Platon gesagt. Arzte sollen Philosophen werden, d. h. ihre Kunst und Wissenschaft lieben. Da die Politiker leidenschaftlich gerne das Geld von uns anderen einsparen, sollten sie bedenken: „Je weniger ein Arzt weiß, desto teurer ist die Medizin, die er macht.“ 2
Die großen Entdeckungen der Wiener Medizin liegen schon sehr weit zurück.
Leopold Auenbrugger (1722-1809) entdeckte die Perkussion. Diese Methode eines Beklopfens des Brustkorbes stellte die klinischen Diagnosemöglichkeiten auf eine völlig neue Grundlage. Als Sohn eines Wirtes hatte er schon frühzeitig erkannt, daß gefüllte Fässer
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