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Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Titel: Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. med. Hans Bankl
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wurde allgemein angenommen, daß der Schüler den Eid am Ende seiner Ausbildungszeit schwört und damit zum frischgebackenen Arzt wird. Das ist falsch. Der Eid war, wie wir heute ziemlich genau wissen, ein Lehrlingseid, d. h. ein Gelöbnis, um in die Schule und Familie des lehrenden Meisters aufgenommen zu werden. Er ist also ein Versprechenseid. Bis zum Mittelalter gab es ja keine öffentlichen medizinischen Schulen, sondern einzig den individuellen Privatunterricht. Für diese privaten Ärzte bedeutete die „Kunst“ zugleich ihr eigentliches Erbe und wurde als wertvollstes persönliches Vermögen vom Vater auf die Söhne und Schüler vererbt. Adoption als Schüler bedeutete Teilnahme an einem geistigen und handwerklichen Stammgut mit allen Schätzen und Geheimnissen. Die Aufnahme eines neuen Lehrlings war eine folgenschwere Handlung, die unbedingt rituell unter den Schurz der Götter gestellt werden mußte. Daher erfolgte die Eidesleistung mit Anrufung des Gottes Apollon, dem damaligen Schutzpatron der Ärzte.
    DER EID DES HIPPOKRATES
1. Ich schwöre bei Apollon dem Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und allen Göttern und auch allen Göttinnen, sie zu Zeugen anrufend, daß ich nach meinem Vermögen und Urteil erfüllen werde diesen Eid und diesen (Lehr-)Vertrag.
    2. Meinen künftigen Lehrer in dieser Kunst gleichzuachten meinen eigenen Eltern und das Leben mit ihm zu teilen und, falls er Not leidet, ihn mitzuversorgen und seine Nachkommen gleich meinen Brüdern in männlicher Linie zu halten und sie diese Kunst zu lehren, wenn sie diese erlernen wollen, ohne Entgelt und Vertrag mit Vorschriften und auch mündlichem Unterricht und dem ganzen übrigen Lernstoff mitzuversorgen meine eigenen Söhne und die Söhne dessen, der mich unterrichten wird, wie auch Schüler, die den Vertrag unterzeichnet und auch den Eid geleistet haben nach ärztlichem Brauch, sonst aber niemand.
    3. Die diätischen Maßnahmen werde ich treffen zum Nutzen der Leidenden nach meinem Vermögen und Urteil. Schädigung und Unrecht aber von ihnen abwehren.
    4. Nie werde ich irgend jemandem, auch auf Verlangen nicht, ein tödliches Mittel verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen; ebenso werde ich keiner Frau ein keimvernichtendes Vaginalzäpfchen verabreichen.
    5. Lauter und redlich werde ich bewahren mein Leben und meine Kunst.
6. Nie und nimmer werde ich bei (Blasen-)Steinkranken den Schnitt machen, sondern sie zu den werkenden Männern wegschieben, die mit diesem Geschäft vertraut sind.
7. In wie vielen Häusern ich auch einkehre, eintreten werde ich zum Nutzen der Leidenden, mich fernhalten von allem vorsätzlichen Unrecht sowie jeder sonstigen Unzüchtigkeit, zumal von Werken der Wollust, an den Leibern von Frauen und Männern, Freien und Sklaven.
8. Was immer ich bei der Behandlung (der Patienten) sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, soweit man es nicht ausschwatzen darf, werde ich darüber schweigen, solches als heiliges Geheimnis achtend.
9. Wenn ich also diesen meinen Eid erfülle und nicht zunichte mache, so möge mir Erfolg im Leben und in der Kunst beschieden sein, gerühmt bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn aber übertrete und meineidig werde, das Gegenteil von alledem.
    Obiger Text des Eides ist die Übersetzung von Charles Lichtenthaeler 3 , die derzeit originellste Interpretation.
Erst die öffentlichen Medizinschulen und später die Universitäten stellten die Ärzteausbildung auf eine ganz andere Grundlage. Um für die Nichtmediziner noch einmal klarzustellen: Keiner von uns Ärzten hat den Eid des Hippokrates abgelegt, das ist seit mehr als 2000 Jahren nicht üblich. Aber die Meinungsmacher der Gegenwart verkünden etwas, die öffentliche Meinung glaubt es, und das ist die Mehrheit. So weit, so schlecht.
Was aber schwören die Ärzte tatsächlich?
Geschworen wird gar nichts, es wird lediglich anläßlich der Promotion zum Doktor der Medizin eine Sponsionsformel gelobt. Dieses Gelöbnis beinhaltet,
der Universität ein treues Angedenken zu bewahren,
die verliehene Würde nicht durch Schande zu beflecken,
die erworbenen Kenntnisse durch eigenen Fleiß zu vermehren sowie das Können zum Wohle der Menschen einzusetzen und mit der gleichen Menschlichkeit gegen alle auszuüben.
Die Antwort auf diese vorgelesene Sponsionsformel lautet: „Ich gelobe und verspreche.“ Von schwören ist also keine Rede und von Hippokrates schon gar nicht!
    3 Charles

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