Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
Lichtenthaeler: Der Eid des Hippokrates. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 1984.
VOM BRENNEISEN DES HIPPOKRATES ZUR MODERNEN KREBSVORSORGE
Der Anfang unserer Kenntnisse über die bösartigen Tumorkrankheiten ist gekennzeichnet durch eine merkwürdige, bis heute nicht eindeutig geklärte Namensgebung. Hippokrates bezeichnete im 4. Jahrhundert v. Chr. eine Gruppe von krankhaften Veränderungen als „karkinoma“, d. h. Krebs. Darunter befanden sich neben offenkundig bösartigen Tumoren aber z. B. auch Beingeschwüre und Hämorrhoiden. Er machte dabei die Beobachtung, daß die Erkrankten länger leben, wenn sie nicht chirurgisch behandelt werden. Eine andere erstaunliche Theorie war: Wenn die Gebärmutter verschlossen ist, fließen die Monatsblutungen nicht ab, sondern werden zur Brust umgeleitet, wo sie als harte Tumoren erscheinen. Wir können daraus sicher nicht die erste Feststellung einer Hormonabhängigkeit des Brustkrebses herauslesen - aber die Idee ist interessant.
Aus dem „karkinoma“ der Griechen wurde bei den Römern „cancer“ und schließlich die Bezeichnung „Karzinom“. Daneben existierte auch das alte deutsche Wort „Schanker“, was soviel bedeutet wie „Geschwür“. Geschwür ist jedoch nicht gleich Geschwulst, sondern eher das Gegenteil: Geschwür bezeichnet einen Defekt, einen Gewebsverlust; Geschwulst ist eine Gewebswucherung und Vermehrung.
Von Krebsgeschwür zu sprechen ist daher rein sprachlich falsch. Dieses unsinnige Wort wird aber sowohl in den Medizinalbeilagen der Tagespresse wie auch im Gespräch der medizinischen Laien unverdrossen verwendet.
WARUM KREBS?
Worauf gründet sich eigentlich die Bezeichnung Krebs? Ein Tumor von unregelmäßiger Form und seine Ausläufer wie auch die darum herum gelegenen Blutgefäße sehen wie die gebogenen Beine eines Flußkrebses aus.
Frühzeitig wurde erkannt, daß diese Krankheiten zum Tode fuhren und sämtliche damaligen Therapieversuche erfolglos blieben. Über die Ursache der bösartigen Tumoren wurde nur spekuliert. Paracelsus lehrte im 16. Jahrhundert n. Chr., der Krebs werde von einem mineralischen Salz im Blut verursacht. Dieses sucht sich einen Weg durch den Körper und erzeugt dabei dort Tumoren, wo es nicht hinaus kann. Dr. Nicolaas Tulp, durch Rembrandts Anatomiegemälde aus dem Jahre 1632 unsterblich geworden, erklärte, daß Krebs ansteckend sei. Dem Engländer Percival Pott gebührt die Ehre, bereits im Jahre 1775 eine Wechselbeziehung zwischen Krebsentstehung und der Gefährdung durch Umweltrisiken festgestellt zu haben. Aufschlußreich für ihn war das Schicksal der jungen Schornsteinfeger in England, die ihre Arbeit von oben bis unten mit Ruß bedeckt verrichteten. Sie starben fünfzehn bis zwanzig Jahre später an Hautkrebs des Hodensackes oder der Leistengegend. Pott erkannte den Zusammenhang zwischen dem längeren Kontakt der Haut mit Rußteilchen und dem späteren Auftreten von Krebs an den schwer zu reinigenden Stellen. Dieser Schornsteinfegerkrebs ist die erste aufgedeckte Berufskrankheit und das erste Beispiel eines Krebsleidens, dessen Ursache eindeutig erkannt wurde.
Die Ursachenforschung ging aber auch Irrwege. Der dänische Arzt Johannes Fibiger hat bei Ratten durch Fütterung mit Schaben, welche selbst durch einen parasitären Wurm infiziert waren, Karzinome des Magens erzeugt. Er erhielt 1926 den Nobelpreis, weil es anscheinend gelungen war, durch ein „belebtes Agens“ einen bösartigen Tumor zu erzeugen. Diese Deutung war selbstverständlich falsch, es handelte sich um einen chronischen Reiz der Magenschleimhaut durch das ungewohnte Futter.
Mit Fortschreiten unserer Kenntnisse wurde festgelegt, als Krebs = Karzinom nur bösartige Tumoren des Epithelgewebes zu bezeichnen, in den Weichteilen und Knochen aber von Sarkomen zu sprechen. Und den vielzitierten „Blutkrebs“ gibt es im medizinischen Sprachgebrauch überhaupt nicht. Gemeint sind dabei meist eine Art der Leukämie oder Tumoren des lymphatischen Systems. Eine krebsartige Tumorbildung ist nicht auf Menschen und Tiere beschränkt, wir kennen ebenso eine Reihe pflanzlicher Tumoren, wie etwa Kartoffelkrebs, Wurzelhalstumore und Obstbaumgeschwülste. Es gibt keine vergleichbare Krankheit, über welche die medizinische Forschung so viel an Information erlangt hat wie die bösartigen Tumoren. Der Krebs hat zwar sein Geheimnis noch nicht verraten, aber wir beginnen die Mechanismen zu verstehen. So hat die Ursachenforschung eine Vielzahl von auslösenden
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