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Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Titel: Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. med. Hans Bankl
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seinem ehrgeizigen und geschäftstüchtigen Vater Leopold Mozart als musikalisches Wunderkind in monate- und jahrelangen Konzertreisen durch Europa gehetzt. Die Welt lernte später dieses größte musikalische Genie unter den Namen Wolfgang Amadeus kennen. „Amadeus“ ist die lateinische Form von Gottlieb, er selbst hat sich nie so genannt, sondern bevorzugte das französische „Amadé“.
In seinen sehr ausführlichen Reisebriefen berichtete Leopold Mozart eingehend über den jeweiligen Gesundheitszustand seiner Kinder. Als begeisterter und auch gebildeter medizinischer Dilettant behandelte er Krankheiten in der Familie meistens selber, ist er doch nur ungern „gleich zum Arzt gelaufen“. Auf Reisen führte er stets eine gutsortierte Apotheke mit. Die Reiseapotheken der damaligen Zeit waren Holzkassetten mit aufklappbaren Seitenflügeln, Glasfläschchen und Metalldosen dienten als Arzneibehälter. In kleinen Schubladen wurden Pillen und Pulver aufbewahrt, größere Schubfächer enthielten Pflaster, Spatel, Scheren und die wichtigen Aderlaß-Lanzetten.
Als die Mozarts am 21. Oktober 1762 in Schönbrunn bei Kaiser Franz Stephan und Maria Theresia vorspielten, erkrankte Wolfgang schwer. Der Vater schrieb nach Salzburg: „Als er im Bette war, untersuchte ich die Orte, wo er die Schmerzen zu füllen vorgab; und ich fand etliche Flecken in der Größe eines Kreutzers, die sehr roth und etwas erhaben waren, auch bey dem Berühren ihm Schmerzen verursachten. Es waren aber nur an beiden Schinbeinen, an beiden Ellenbogen, und ein Paar am Podex; auch sehr wenig. Er hatte Hitzen, und wir gaben ihm Schwarz Pulver und Margrafen Pulver.“ Die Krankheit des kleinen Wolfgang war höchstwahrscheinlich ein Erythema nodosum, eine „rheumatische“ Knotenrose als allergische Hautreaktion auf eine bakterielle Streptokokkeninfektion. Was aber läßt sich über die Zusammensetzung der in der Familie Mozart sehr beliebten „Pulver“ sagen?
Margrafen-Pulver ist möglicherweise nach Andreas Sigismund Marggraf, dem Hofapotheker Friedrich Wilhelms L, benannt. Eine Angabe über die Zusammensetzung ist nicht überliefert, einige Inhaltsstoffe sind jedoch bekannt und abenteuerlich genug: Lapis Bezoar Orientalis, erzeugt aus dem Mageninhalt ostindischer Tiere und sagenhaft teuer; rote und weiße Korallen; Hirschhornspitzen; geraspeltes Elfenbein; Blattgold; Pfingstrosen- und Veilchenwurzeln, Eichenmistel u. a. m.
Leopold Mozart griff zu dem Mittel, „wenn man erhitzt ist“ und verabreichte es bei „Catarrhen“ oder „hitzigen Krankheiten“. Er kombinierte diese Medikation noch häufig mit dem „Schwarz Pulver“ und empfahl sie, „wenn keine Entzündung vorliegt“. Die Bestandteile dieser Arznei waren exquisit: getrocknete, zerriebene Regenwürmer; Froschherzen; Einhorn; Plazenta; Myrrhe; menschlicher Hirnschädel und dergleichen mehr. Man glaubte ja, jede dieser Substanzen besitze eine besondere Kraft. Der entscheidende Bestandteil beim „Schwarzpulver“ war die Jalappwurzel, der Schwarzrhabarber, ein drastisches Abführmittel. Man versprach sich davon eine Austreibung krankmachender Stoffe.
Aus Paris schrieb Leopold Mozart im Februar 1764 über eine fieberhafte Erkrankung des achtjährigen Wolfgang: „Die Hitze, die ganz erstaunlich war, dämpfte ich nach und nach mit dem pulvre antispas: Hallen: und Gott lab, in 4. Tagen stund er wieder vom Bethe auf, und befindet sich nun wieder besser . . . Ich habe ihn dann mit ein wenig aqua laxat: Vien: laxieren machen; und nun ist er Gott lob, gut.“
Das Pulvis antispasmodicus hallensis beinhaltete neben gepulverten Austernschalen vor allem Brechweinstein, Kaliumsulfat, Salpeter und Zinnober. Hauptbestandteile des Wiener Laxierwassers waren Sennesblätter, dazu Weinstein, Rhabarber, Mannasirup und Tamarindenmark. Solche Mittel sollten krankmachende Stoffe aus „Magen und Därmen“ entfernen.
Im Herbst 1764, während des Englandaufentlhaltes, war Leopold Mozart selbst schwer erkrankt, und er bat in einem Brief aus Chelsea bei London dringend um Rezepte für die inzwischen offenbar aufgebrauchten Mittel seiner Reiseapotheke. Schließlich war man bereits über ein Jahr von Salzburg weg.
„Ich bitte Sie, haben Sie die Güte und bitten Sie einen Herrn Medicum, daß er mir die folgende recepten auf ein kleines Blättchen Papier in Worte ausschreibe. Es muß auch alles ausgeschrieben sein, denn sie verstehen keine Signa chymica, weil die hiesigen Herrn Medici alles ausschreiben . . .

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