Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
denn außer dem Gewichtszeichen verstehen die hiesigen Apotheker nichts.“ Die gewünschten Rezepte hat Leopold selbst zusammengestellt und dann von einem Arzt gleichsam autorisieren lassen.
Auch während der ersten Italienreise forderte Leopold Mozart aus
Salzburg Medikamente an. „. . . wenn H. Secretair Troger noch in Salzburg: so gieb ihm ein paar schachterl von den berühmten Spilman Hansl Pillulen mit. . . Die Pillulen sind mir nothwendig, denn ich weis daß sie mir dienen, wenn mir, wegen der Verstopfung mein Schwindel kommt. . . Da ich nun erst 3 tage die Pillulen nehme verspiere ich, daß mir der Kopf leichter wird.“
Die Zusammensetzung dieser Pillen ist unbekannt, es dürfte sich um ein Abführmittel gehandelt haben, welches Leopold Mozart jedoch gegen Schwindel und Kopfweh einnahm. In herzerfrischend offener Art schrieb er dies auch 1771 an seine Frau: „. . . deswegen habe ich wegen der Pillulen geschrieben. Ich will das der Arsch den Kopf curieren soll.“
Vater Mozart war ein umsichtiger und sparsamer Reisemarschall für die Konzerttourneen seiner Kinder. Köstlich ist seine diesbezügliche Bemerkung nach Überquerung des Ärmelkanals auf der Reise nach England. „. . . allein ohne Spei = übergaab ist es nicht abgegangen doch hat es mich am meisten hergenommen. Es war aber das geld ersparet, Medicin zum brechen einzunehmen. Und wir sind, Gott seye dank, alle gesund. . .“
Manchmal ließ sich Mozart senior in seinen Briefen soweit hinreißen, daß er - wohl vom medizinischen Eifer übermannt - eine großartige Unterschrift wählte:
„Ita 7 Clarißimus Dominus Doctor Leopoldus Mozartus“.
Dem ist wohl nichts hinzuzufügen als die Feststellung, daß Leopold Mozart nicht nur ein begnadeter musikalischer Lehrer seines Sohnes war, sondern auch ein begeisterter und besorgter „Arzt“ der Familie.
7 „Ita" ist eine Beteuerung und Bekräftigung etwa im Sinne von „so wahr ich lebe " bzw. „ja, so ist es".
SIGMUND FREUD UND DAS KOKAIN
Im April 1884 war der 28jährige Sigmund Freud emsig dabei, sich in der Wissenschaft einen Namen zu machen und die wirtschaftliche Basis zur Gründung einer Familie zu schaffen. Er schrieb an seine Verlobte Martha Bernays: „Ich lese von Cocain, dem wirksamen Bestandteil der Cocablätter, welche manche Indianerstämme kauen, um sich kräftig für Entbehrungen und Strapazen zu machen. Ein Deutscher hat nun dieses Mittel bei Soldaten versucht und wirklich angegeben, daß es wunderbar kräftig und leistungsfähig mache. Ich will mir nun das Mittel kommen lassen.“
Wenige Tage später hatte Freud die Substanz in Händen. Innerhalb von sechs Wochen hat er etwa zwölfmal Kokain genommen und dabei die physischen und vor allem die psychischen Wirkungen genau beobachtet. Bald schon war er von der „wunderbaren, stimu lierenden Wirkung der Coca“ überzeugt, ja geradezu begeistert. Die Droge half ihm bei der Überwindung unangenehmer Stimmungstiefs und vertrieb Magenbeschwerden und Kopfschmerzen.
Bereits wenige Tage nach dem ersten Selbstversuch setzte Freud das Mittel aber auch therapeutisch ein, indem er es seinem Freund und Kollegen Dr. Ernst Fleischl von Marxow zur Unterstützung beim Entzug von Morphium empfahl. Fleischl litt an heftigen Schmerzen am Stumpf seines rechten Daumens, der nach einer Infektion hatte amputiert werden müssen, und war morphinabhängig. Die Entziehung schien tatsächlich zu gelingen, und Freud berichtete zunächst begeistert von dem Erfolg. Aber schon bald traten die Schmerzen wieder auf, der Entziehungsversuch mußte abgebrochen werden, und Fleischl wurde unheilbar drogenabhängig und süchtig. Er starb im Delirium.
Freud selbst hat Kokain seit dem Frühsommer 1884 in Dosen von 50 bis 100 Milligramm eingenommen 8 und die euphorisierende, stimulierende und antidepressive Wirkung des Kokains an sich selbst schätzengelernt. Offenbar ist es ihm gelungen, die Droge über Jahre hin bei bestimmten Gelegenheiten gezielt einzusetzen, ohne sich daran zu gewöhnen oder die Dosis steigern zu müssen. Dies ist erstaunlich, da Freud - wie seine Abhängigkeit von Zigarren zeigte - eine suchtgefährdete Persönlichkeit war. Er nahm Kokain in Paris, bevor er zu einer großen Einladung ging. Er hatte Sorgen, ob er sich auf dem gesellschaftlichen Parkett richtig würde bewegen können, und freute sich danach, daß das Kokain ihm die Zunge gelöst hatte. Er bekämpfte mit dem Kokain einen Zustand, den er Neurasthenie nannte und der durch Beschwerden
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