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Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.

Titel: Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. med. Hans Bankl
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der Leidende, dem in keiner Weise abgesprochen werden soll, daß er sich elend fühlt, plötzlich auf einen Menschen oder auf eine Gruppe, gleichgültig ob geistlicher oder profaner Abkunft, und es geschieht scheinbar Wunderbares. Durch die persönliche suggestive Ausstrahlung einer Leitfigur, durch die Inszenierung eines Rituals, durch die psychologische Wirkung einer Massenveranstaltung mit Gruppendynamik und letztendlich durch die Sonderstellung jedes einzelnen, durch das öffentliche Zitieren passender Krankheitssymptome wird ein wohlbekannter Mechanismus in Gang gesetzt: Der Patient ist ergriffen, entweder durch Worte oder tatsächlich durch Handauflegung; in die Aktivität der Nervenimpulse, ja in seinen psychischen Zustand wird eingegriffen; und der Leidende selbst hat, weil zu beschäftigt mit seinem Zustand, meist gar keine Möglichkeit zu begreifen. So entstehen die Geschichten von den Wunderheilungen.
Diese Mechanismen sind von der sogenannten Schulmedizin nie bestritten worden, wir versuchen sie nur genauer zu verstehen. 1. Wunderheilmethoden funktionieren keineswegs immer, denn
    es gehört eine empfängliche Persönlichkeitsstruktur des Patienten dazu.
    2. Der „Heilsspender“ muß über eine charismatische Aus strahlungskraft verfügen.
3. Es ist nicht die besondere Kraft einer bestimmten Religion dazu nötig.
4. Nur gewisse Leiden können beeinflußt werden, andere - wie etwa eine Tumorkrankheit - nur ganz unwesentlich.

BEISPIEL MAGNETISMUS
    Ein klassisches Beispiel aus dem Ende des 18. Jahrhunderts - denn solche Dinge gab es schon immer - war Dr. Franz Anton Mesmer mit seiner Lehre vom „animalischen Magnetismus“. Zuerst durch Auflegen von Magneteisen, später durch Berühren, Bestreichen, Besprechen und Beeindrucken, letztendlich durch Gruppentherapie erzielte er verblüffende Erfolge. Das Ganze wurde noch durch die Gründung ordensähnlicher Gemeinschaften, sogenannter „Harmonischer Gesellschaften“, gefördert, da Gerüchte aufkamen, es würden die okkulten Geheimnisse der Rosenkreuzer, der Illuminaten und auch der Freimaurer in diesen Zirkeln zu Heilzwecken verwendet.
Mesmers Ruhm und finanzieller Erfolg stiegen ins Unermeßliche, Vergleiche mit der Gegenwart sind durchaus gestattet. Er wirkte in Wien und Paris, Maria Antoinette zählte zu seinen Anhängerinnen, und erst die Französische Revolution machte dem allen ein Ende. Die enge Verwandtschaft der Mesmerschen Methode zu Suggestion und Hypnose ist heute klar.
Weitgehend ähnliches geschieht dann, wenn Heilerfolge durch religiöse Institutionen erzielt werden. Nur wissen wir heute mehr und können die Mechanismen erklären. Wunderheilungen gibt es in Lourdes (für Katholiken), an der Klagemauer in Jerusalem (für Juden), auf der Hadsch nach Mekka (für Muslime), in den Tempeln der Buddhisten, vor den Shintoschreinen der Japaner, durch das Wirken von Schamanen usw., die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Daher ist es keineswegs übernatürlich, was etwa in der Kirche von Gallspach, Oberösterreich, passiert. Während stark besuchter Krankenmessen werden Beschwörungsformeln gesprochen:
„ Geist der Heilung, Heil'ger Geist,
fall auf sie herab.“
Manche Menschen verspüren dann Hitzewallungen - ganz genau so wie die Patienten Mesmers anno 1780 -, und es treten zuweilen Schmerzlinderungen ein. Denn Schmerzen, die wir mit Hilfe des Nervensystems wahrnehmen, können am leichtesten durch die psychische Kraft des Nervensystems beeinflußt werden. Ist es wirklich nur ein Zufall der Geschichte, daß solches gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Gallspach geschieht, dem Ort, wo einst ein Valentin Zeileis begann, mit „elektrischen Duschen“ und „Bestrahlungen“ Massenbehandlungen durchzuführen? Sein Name wurde zu einem Symbol für Wunderheilungen.
Das Besprechen von Warzen unter Anrufung des Mondes: „Mond, so wie du zunimmst, soll die Warze abnehmen“, oder anläßlich eines Begräbnisses: „ Warze falle ab, wie der Tote in das Grab“, vollzieht sich ja auch ohne magischen Zauber und funktioniert manchmal tatsächlich.
Die selbstkritische Medizin hat hier nichts dagegen. Wir sind froh, wenn Unterstützung im Kampf gegen die Leiden kommt.

WUNDERHEILER ALS MAHNUNG
    Je weniger wir uns um die Patienten bemühen, um so mehr versorgen wir die Wunderheiler mit Kundschaft. Gemeingefährlich werden die Aktionen erst dann, wenn durch ausschließliche Hinwendung zu spirituellen Heilmethoden lebensbedrohliche Krankheiten der ärztlichen

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