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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Halbtagspreis von vierundvierzig Dollar. Der Angestellte am Empfang war ein zurückhaltender junger Mann mit fettigem schwarzem Haar, der kaum hochsah, als er Jeremys Scheine entgegennahm. Er zeigte auch keine Reaktion, als Jeremy sagte, welches Zimmer er gern hätte.
    Nummer 15. Direkt gegenüber von Nummer 16.
    Er machte sich auf den Weg dorthin, hielt sich nahe am Haus und mied den Lichtschein, der in den Hof fiel. Als er die Tür hinter sich zumachte, atmete er alten Schweiß, Shampoo und ein Desinfektionsmittel ein, das nach Himbeeren roch. Er schaltete das Licht im Zimmer nicht ein, dafür aber das in dem erbärmlichen kleinen Badezimmer – in Wirklichkeit nur ein Fertigteil aus Glasfaser mit einer wacklig in den Boden geschraubten Toilette und einer angeschimmelten Dusche, die kaum groß genug für ein Kind war.
    In der indirekten Beleuchtung nahm er seine Umgebung in Augenschein: ein Doppelbett mit einer durchhängenden Matratze und zwei Kopfkissen, auf dem Nachttisch ein Vibrator, der mit Münzen gefüttert wurde, ein an die Wand geschraubter Fernseher mit einer Pay-per-View-Dose obendrauf. Vor dem einzigen Fenster des Zimmers war eine Wachstuch-Jalousie heruntergezogen. Indem Jeremy sie ein kleines Stück hochrollte und sich auf einen Stuhl vor das Fenster setzte, hatte er einen guten Blick auf Nummer 16.
    Dort war das Licht eingeschaltet. Zwei volle Stunden lang. Dann ging es aus.
    Niemand verließ das Zimmer. Die Zeit verging. Halb zehn, zehn, elf. Um Mitternacht langweilte sich Jeremy fast zu Tode, und er fragte sich, ob Dirgrove und Hauser die Nacht durchmachen wollten.
    Er hatte den Fernseher eingeschaltet. Die meisten Kanäle waren verschwommen, und er hatte keine Lust, im Büro anzurufen und einen Pornofilm zu bestellen. Er ließ sich auf einen Fernsehevangelisten ein, der aus einer wuchtigen hellbraunen Kathedrale in Nebraska predigte, hörte Geschichten von Sünde und Erlösung und wusste, dass es reine Zeitverschwendung war, was er da tat. Dirgrove würde in dieser Nacht keinen Schaden anrichten; seine Freundin beschäftigte ihn.
    Es sei denn, das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich verändert und … nein, auf keinen Fall, das wäre zu unvorsichtig. Nicht wenn Gwynns Wagen und sein eigener direkt vor der Tür auf der Straße geparkt waren.
    Ted war ein Mann mit einem vielseitigen Geschmack.
    Sie waren eingeschlafen, davon war er überzeugt. Es war 3.15 Uhr, und Jeremy hatte die Nase voll von frommen Sprüchen und Ermahnungen, sich durch Einsendung von Plätzchendosen, Wechselgeld, Sozialhilfeschecks – was auch immer einen in den Zustand der Gnade versetzte – als Lamm Gottes zu qualifizieren.
    »Ihr werdet es wissen«, versprach der Prediger der Nachtschicht, ein magerer, gut aussehender Bursche, der wie ein Verbindungsstudent ausah. »Ihr werdet es
fühlen

    Um 3.37 Uhr verließ Gwynn Hauser, die immer noch ihre Perücke trug und ein wenig zittrig aussah, das Zimmer und zog ihren falschen Pelz fest um sich.
    Fünf Minuten später kam Dirgrove heraus, starrte den Mond an, gähnte und trottete langsam zu seinem Wagen.
    Jeremy fuhr hinter ihm her. Zurück nach Hause zu Patty und der Brut.
    Was würde er ihr erzählen? Ein Notfall? Standen Leben auf dem Spiel? Oder war er über den Punkt hinaus, wo er ihr überhaupt etwas erzählen musste?
    Würde sie ihn hören, ihn riechen, wenn er ins Bett kam – würde der Geruch einer anderen Frau in ihrem mit Sicherheit stilvollen, temperaturgeregelten Schlafzimmer in ihre Richtung ziehen?
    Arme Frau.
    Jeremy kam kurz vor vier vor seinem Haus an. In seinem Häuserblock regte sich nichts, und als er sein leeres Schlafzimmer betrat, kam es ihm wie die Zelle eines Fremden vor.

47
    Dougs Milz war draußen, er sah aus, als wäre er von einem Zug angefahren worden, sein Urin floss durch einen Katheter, seine Stimme war belegt, verschliffen, stockend.
    »Das Komische an der Sache ist«, erklärte er, »dass es mir eigentlich … besser geht, Doc. Ohne diese … verdammte … Milz.«
    Danach hatte er nicht mehr viel zu sagen. Jeremy hatte drei Stunden geschlafen und fühlte sich nicht kreativ. Er blieb eine Zeit lang bei dem jungen Mann sitzen, lächelte, schaute ihn aufmunternd an, machte zwei unverfängliche Witze.
    »Ich muss hier … bald raus … rechtzeitig zum … Eisfischen«, sagte Doug.
    »Machen Sie das oft?«
    »Jedes Jahr. Mit … meinem Dad.«
    Mrs. Vilardi kam ins Zimmer und sagte: »Ach, mein armes Baby!«
    »Mir geht’s prima,

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