Der Pathologe
das die Lebensfähigkeit des jungen Mannes bestätigte.
Doug rührte sich nicht.
Das kriegst du schon geregelt, mein Junge.
Gib mir etwas, das mir als Inspiration dienen könnte.
Tu’s
einfach!
46
Jeremy machte sich die nächsten drei Abende frei, indem er log. Indem er Angela Geschichten von bedrohlich näher rückenden Terminen erzählte, vom Leiter der Onkologie, der ihn unter Druck setzte, und von einer Schreibblockade, die erschwerend hinzukam.
Er würde unbedingt zwei oder drei, vielleicht sogar vier Nächte durchmachen müssen.
Sie sagte: »Hab ich auch schon durchgemacht und hinter mich gebracht – du schaffst das schon, Schatz.«
Am ersten Tag schleuste er sie zu einem frühen Abendessen bei Sarno’s aus dem Krankenhaus heraus, konzentrierte sich darauf, aufmerksam zu sein, und sorgte dafür, dass das Gespräch locker und ungezwungen verlief und nicht abriss. Der allgegenwärtige Horror rauschte in seinem Kopf vorbei: schmutzige, brutale Bilder, eine mentale Jauchegrube, deren Drainage meilenweit von dem Gesicht des Liebhabers stattfand, das er Angela zeigte.
Gegen Ende des Abendessens nahm er an, er hätte es geschafft. Angela machte einen gelösten Eindruck, lächelte, lachte, redete über Patienten und die Krankenhausbürokratie. Als er sie wieder in der Endokrinologie ablieferte, war es halb sechs, und sie war voller Energie.
Am nächsten Tag rief sie ihn an, um ihm mitzuteilen, dass ihr Chefarzt nicht erfreut darüber gewesen sei, dass sie sich so früh aus dem Staub gemacht hatte.
»Wie wär’s, wenn ich dir eine Entschuldigung schreibe?«, sagte er. »›Angelas Bauch war leer, und sie musste etwas essen.‹«
»Wenn’s damit nur getan wäre«, erwiderte sie. »Wie ist es letzte Nacht mit dem Buch gelaufen?«
»Quälend.«
»Bleib dran. Ich weiß, du wirst Großes vollbringen.«
»Danke.«
»Ich hab sowieso keine Zeit, Jeremy. Die Endo-Belegärzte sind zum größten Teil hochkarätige Brutalos mit Privatpraxen. Sie lassen uns wie Galeerensklaven schuften, damit sie rechtzeitig zum Abendessen mit der Familie zu Hause sind. Wenn ich dich also überhaupt zu sehen kriege, dann zum Mittagessen. Und morgen ist mittags ein Vortrag über den Missbrauch von Wachstumshormonen.«
»Der Dienstplan.«
»Ich sag dir Bescheid, wenn der Druck nachlässt. Tut mir Leid.«
»Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, Angela. Auch das wird vorübergehen.«
Und ich habe derzeit meinen eigenen Dienstplan.
»Ich weiß«, sagte sie. »Aber im Moment sieht es nicht danach aus. Okay, ich muss los. Du fehlst mir.«
»Du fehlst mir auch.«
Zwei weitere Nächte, in denen Dirgrove auf Familienvater machte. Oder was immer er tat, wenn er sich in seinem Kalkstein-Horst häuslich niedergelassen hatte.
Ein Stockwerk unter dem Penthouse. Jeremy wusste das, weil er vorbeigeschlendert war, als der Portier hineingegangen war, um bei einem der Bewohner ein Päckchen abzuliefern. War in das Marmorfoyer eingedrungen und hatte sich das Mieterverzeichnis angesehen, umgeben von all diesen hübschen, gesunden Topfpflanzen.
Wenn Dirgrove seine Wohnung betrat, wie weit trieb er dann die Farce? Gehörte das Abendessen mit der Familie zur täglichen Übung? Oder schloss er sich direkt in seinem Arbeitszimmer ein?
Nahm er Brandon und Sonja pro forma zur Kenntnis? Was Jeremy von der Familie beim Abendessen gesehen hatte, machte den Eindruck, als gäbe es kaum etwas, was den Scheißkerl weniger interessierte.
Schliefen er und Patty noch miteinander?
Die arme Frau mit dem entschlossenen Gesicht und der athletischen Figur. All das äußere Drum und Dran eines guten Lebens, und es würde früher oder später über ihr zusammenbrechen.
Jeremy würde sein Bestes geben, um dafür zu sorgen, dass es früher sein würde.
Am dritten Tag wurde Doug Vilardi zu einer Splenektomie in den OP gerollt. Jeremy tröstete die Familie, aber er wusste, dass der junge Mann ihn mindestens vierundzwanzig Stunden nicht brauchen würde. Keiner seiner anderen Patienten befand sich in einer Krise. Mehrere waren entlassen worden, und es gab nur eine akute Behandlung, zu der er gerufen wurde, ein fünfzehnjähriges Mädchen mit Verbrennungen, das die Haut an einem Oberschenkel verloren hatte und sich schmerzhaften Unterwassermassage-Bädern unterziehen musste, mit denen lose Hautfetzen abgespült werden sollten.
Jeremy fand heraus, dass sie gern Tennis spielte, und brachte sie dazu, sich vorzustellen, wie sie bei den French Open
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