Der Patient
der Angestellte. Ricky lächelte. »Sicher. R. S. Chen. Leicht zu behalten. Mr. R. Chen.«
Während der Fahrt auf der Route 95 Richtung New York hielt Ricky hintereinander an drei Einkaufszentren an, die alle dicht am Highway lagen: eins kurz hinter Boston, die anderenbeiden in Connecticut, Nähe Bridgeport und New Haven. In jeder dieser Malls schlenderte er zwischen all den Kleidergeschäften und Ständen für Schokokekse und dergleichen die Hauptpassage entlang, bis er jeweils an ein Handygeschäft kam. Am Ende seiner Einkaufsbummel hatte er unter dem Namen Frederick Lazarus fünf verschiedene Handys gekauft, die ihm zusammen hunderte kostenlose Gesprächsminuten und billige Ferngespräche boten. Die Handys wurden mit Verträgen unterschiedlicher Anbieter vertrieben, und obwohl jeder Verkäufer beim Ausfüllen des einjährigen Nutzungsvertrags Ricky fragte, ob er noch andere Handyverträge laufen hätte, machte sich keiner von ihnen die Mühe, seine Angaben zu überprüfen, nachdem er die Frage verneint hatte. Bei allen Handys nahm Ricky sämtliche Extras in Anspruch wie Anruferkennung und Anklopffunktion und alle möglichen anderen Dienstmerkmale, so dass die Verkäufer froh waren, wenn sie den Auftrag endlich erledigt hatten.
Außerdem hielt er an einer Einkaufsstraße, wo er ein bisschen suchen musste, bis er ein großes Bürowarengeschäft gefunden hatte. Dort kaufte er sich einen relativ billigen Laptop und die nötige Software sowie die passende Tasche dazu.
Als er an seinem ersten Hotel eintraf, war es früher Abend. Er stellte seinen Leihwagen auf einem Parkplatz unten am Hudson in den West Fifties ab und fuhr von dort mit der U-Bahn zum Hotel in Chinatown. Er meldete sich bei einem Portier namens Ralph an, der offenbar als Kind an übermäßiger Akne gelitten hatte und jetzt Pockennarben an den Wangen trug, so dass sein Gesicht eingefallen und abstoßend wirkte. Ralph hatte ihm wenig zu sagen und schien nur einmal milde erstaunt, als die Kreditkarte auf den Namen Frederick Lazarus tatsächlich funktionierte. Auch das Stichwort Reservierung schien ihn zu überraschen. Vermutlich kamen wenige Besucherauf die Idee, sich in diesem Etablissement ein Zimmer zu reservieren. Eine Prostituierte, die in einem Zimmer am Ende des Korridors arbeitete, lud Ricky mit einem suggestiven Lächeln zu sich ein, doch er schüttelte den Kopf und öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Es war so trist, wie Ricky vermutet hatte; und außerdem die Art Absteige, in der sich keiner etwas dabei dachte, dass er ohne Taschen kam und eine Viertelstunde später wieder ging.
Er nahm die nächste U-Bahn hinüber zum letzten Hotel auf seiner Liste, in dem er sein kleines Apartment gemietet hatte. Hier wurde er zu Richard Lively und verlor gegenüber dem Mann am Empfang kein Wort zuviel. Er verhielt sich so unauffällig wie möglich und begab sich zügig in sein Zimmer.
Nur einmal verließ er an diesem Abend noch seine Unterkunft, um sich an einem Deli frisch zubereitete Sandwiches und ein paar Limos zu besorgen. Ansonsten zog er sich zurück, um seine weitere Vorgehensweise zu planen. Erst um Mitternacht ging er ein letztes Mal nach draußen.
Die Straße glitzerte von einem kurzen Schauer. Gelbe Straßenlaternen warfen einen Bogen blassen Lichts über den schwarzen Teer. Die Nachtluft war ein wenig stickig und schwül und kündete vom nahen Sommer. Er starrte den Bürgersteig entlang, und ihm wurde bewusst, dass ihm nie aufgefallen war, wie viele Schatten sich um Mitternacht über Manhattan legten. Er selbst, schien ihm, war einer davon.
Häuserblock um Häuserblock durchquerte er zügig die Stadt, bis er ein einsames Münztelefon fand. Es war an der Zeit, seine Anrufe abzuhören.
29
Vielleicht eine Kreuzung von der Telefonzelle entfernt, in der Ricky stand, drang der schneidende Klang einer Sirene durch die Nacht. Er konnte nicht sagen, ob es eine Streife oder ein Krankenwagen war. Die Feuerwehr, so viel wusste er, machte ein tieferes, plärrenderes Geräusch, das er mit krakeelender Energie verband. Polizei und Krankenwagen dagegen waren kaum zu unterscheiden. Einen Moment lang dachte er, dass es nur wenig Geräusche auf der Welt gab, die so eindeutig Schlimmes verhießen wie Sirenen. Sie waren so irritierend heftig und durchdringend, dass einem bei ihrem Klang Mut und Hoffnung verließen. Er wartete, bis das Getöse im Dunkel verhallte und die relative Stille von Manhattan einkehrte: der stetige Geräuschpegel von Autos und
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