Der Patient
fragte sie.
»Ja«, erwiderte Ricky. »Mein Name ist Diogenes …« Er buchstabierte langsam und forderte die Dame auf: »Schreiben Sie mit. Und ich vertrete Mr. Frederick Lazarus, den Testamentsvollstrecker über das Erbe, das der verstorbene Dr. Frederick Starks hinterlassen hat. Ich setze Sie hiermit davon in Kenntnis, dass die erheblichen Unregelmäßigkeiten hinsichtlich seiner finanziellen Situation vor seinem tragischen Tod nunmehr Gegenstand unserer Ermittlungen sind.«
»Ich glaube, unsere Sicherheitsabteilung hat sich um die Sache gekümmert …«
»Nicht zu unserer Zufriedenheit. Ich möchte Sie daher auch darüber informieren, dass wir jemanden vorbeischicken werden, um sich die entsprechenden Unterlagen anzusehen und diese verschwundenen Vermögenswerte aufzuspüren, damit sie an die rechtmäßigen Eigentümer verteilt werden können. Es herrscht einige Empörung darüber, wie diese Angelegenheit gehandhabt wurde, wenn ich das hinzufügen darf.«
»Ich verstehe, aber wer …« Die Sekretärin, von Rickys knappem, autoritärem Ton nervös geworden, wusste einen Moment nicht weiter.
»Diogenes, bitte merken Sie sich den Namen. Ich melde mich morgen oder übermorgen wieder. Bitte richten Sie Ihrem Vorgesetzten aus, dass er die einschlägigen Unterlagen zu sämtlichen Kontobewegungen bereithalten soll, besonders die zu den telegrafischen und elektronischen Transaktionen, damit wir, wenn ich komme, keine Zeit verlieren. Zunächst mal werde ich keine Fahnder der Finanzkontrollbehörde mitbringen, doch das kann sich im weiteren Verlauf der Recherchen durchaus noch als notwendig erweisen. Das hängt ganz von Ihrer Kooperationsbereitschaft ab.« Ricky ging davon aus, dass die so unbekümmert in den Raum geworfene Behörde ihre Wirkung nicht verfehlen würde. Welcher Makler hörte schon gern von den Finanzfahndern.
»Ich glaube, Sie sollten besser mit …«
Er fiel der Sekretärin ins Wort. »Gewiss, sobald ich mich in den nächsten Tagen wieder bei Ihnen melde. Ich habe in der Angelegenheit noch einen Termin und eine Reihe weiterer Telefonate, wenn Sie mich also für den Moment entschuldigen wollen. Danke.«
Und so legte er mit diebischer Schadenfreude auf. Er glaubte nicht, dass sein früherer Finanzberater, ein farbloser Mensch, der sich für nichts außer Geld interessierte, den Namen jener antiken Gestalt zuordnen konnte, die vergeblich auf der Suche nach einem ehrlichen Mann umhergeirrt war. Doch Ricky kannte einen anderen Mann, der dies sofort verstehen würde.
Sein nächster Anruf galt dem Vorsitzenden der Psychoanalytic Society von New York.
Er war dem Kollegen nur ein-, zweimal bei einer dieser Veranstaltungendes medizinischen Establishment begegnet, denen er so hartnäckig aus dem Weg gegangen war. Damals war er ihm als ein kleinkarierter, furchtbar eingebildeter Freudianer erschienen, der selbst gegenüber Kollegen durch beredtes Schweigen und gedehnte Gesprächspausen glänzte. Der Mann hatte in New York praktiziert und viele berühmte Leute mithilfe von Couch und Schweigen therapiert; auf das Ruhmesblatt dieser Hautevolee hielt er sich derart viel zugute, dass er wohl selbst glaubte, ein Oscar-Preisträger, ein Schriftsteller mit Pulitzer-Preis oder ein steinreicher Financier auf der Couch mache ihn zu einem besseren Therapeuten oder gar einem wertvolleren Menschen. Ricky, der bis zu seinem Selbstmord in solcher Isolation und Einsamkeit gelebt und praktiziert hatte, fürchtete nicht eine Sekunde, dass der Mann seine Stimme erkennen würde, und so gab er sich nicht einmal die Mühe, sie zu verstellen. Er wartete bis neun Minuten vor der vollen Stunde. Er wusste, dass zwischen zwei Patienten die Chancen am besten standen, dass der Arzt persönlich ans Telefon ging.
Beim zweiten Tuten wurde abgehoben. Eine ausdruckslose, unfreundliche, kurz angebundene Stimme meldete sich, ohne Zeit an einen Gruß zu verschwenden. »Dr. Roth am Apparat …«
»Doktor«, sagte Ricky langsam, »ich bin überaus erfreut, Sie zu erreichen. Hier spricht Mr. Diogenes. Ich vertrete Mr. Frederick Lazarus, den Testamentsvollstrecker des verstorbenen Dr. Frederick Starks.«
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, unterbrach ihn Roth. Ricky legte eine wohl dosierte Pause ein, die den Kollegen verunsichern würde – mehr oder weniger dieselbe Technik, zu der der Mann selbst so oft griff.
»Wir hätten gerne gewusst, wie die Vorwürfe gegen Dr. Starksaufgeklärt wurden«, sagte Ricky in einem aggressiven Ton, der ihn
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