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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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erstaunte.
    »Die Vorwürfe?«
    »Ja, die Vorwürfe. Wie Sie wohl am besten wissen, wurden kurz vor Dr. Starks Tod gewisse Beschuldigungen gegen ihn erhoben, denen zufolge er sich an einer Patientin sexuell vergangen habe. Wir sind nun sehr daran interessiert zu erfahren, was die diesbezüglichen Ermittlungen zu diesen Vorwürfen ergeben haben.«
    »Soviel ich weiß, hat es keine offizielle Klärung gegeben«, sagte Roth schroff. »Schon gar nicht seitens der Psychoanalytic Society. Mit dem Selsbtmord von Dr. Starks wurden weitere Nachforschungen überflüssig.«
    »Ach, tatsächlich?«, fragte Ricky. »Und ist es Ihnen oder sonst jemandem in der Gesellschaft, deren Vorsitz Sie führen, je in den Sinn gekommen, dass sein Selbstmord vielleicht durch unfaire, falsche Beschwerden verursacht wurde und somit keineswegs als Schuldeingeständnis zu werten ist?«
    Roth schwieg einen Moment. »Selbstverständlich haben wir diese naheliegende Möglichkeit in Betracht gezogen«, antwortete er.
    Klar doch, Lügner, musste Ricky denken.
    »Würde es Sie überraschen, Doktor, wenn ich Ihnen sage, dass die junge Frau, die diese Beschwerde vorgebracht hat, im Anschluss daran verschwunden ist?«
    »Wie bitte …«
    »Sie ist nie wieder zu ihren Therapiesitzungen bei dem Arzt in Boston erschienen, dem sie ihre Vorwürfe als erstem unterbreitet hatte.«
    »Das ist seltsam …«
    »Und dass sein Versuch, sie ausfindig zu machen, die beunruhigende Tatsache ans Licht brachte, dass sie unter falschemNamen bei ihm gewesen war, dass sie sich als jemand anders ausgegeben hat, Doktor?«
    »Unter falschem Namen?«
    »Weiterhin stellte sich heraus, dass ihre Vorwürfe Teil eines größeren Schwindels waren. Haben Sie das gewusst, Doktor?«
    »Aber nein, nein, ich hatte keine Ahnung … wie gesagt, sind wir nach dem Selbstmord der Sache nicht weiter nachgegangen …«
    »Mit anderen Worten haben Sie sich von der ganzen Angelegenheit reingewaschen.«
    »Sie wurde an die zuständigen Behörden weitergeleitet …«
    »Aber dieser Selbstmord hat Ihnen und Ihrem Berufsstand zweifellos eine Menge negative und peinliche Schlagzeilen erspart, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht – ja, sicher, aber …«
    »Ist Ihnen jemals in den Sinn gekommen, dass vielleicht den Erben von Dr. Starks an seiner Rehabilitation gelegen ist? Dass ihnen selbst nach seinem Tod seine Entlastung am Herzen liegen könnte?«
    »Das hatte ich nicht bedacht.«
    »Ist Ihnen bewusst, dass man Sie für seinen Tod zur Rechenschaft ziehen könnte?«
    Diese Bemerkung brachte erwartungsgemäß eine empörte Reaktion hervor. »Das ist völlig absurd! Wir haben nicht –« Ricky fiel ihm ins Wort. »Der Mensch wird nicht nur juristisch für sein Handeln belangt, nicht wahr, Doktor?«
    Die Frage hatte was. Sie traf einen Psychoanalytiker ins Mark. Er sah buchstäblich vor sich, wie der Mann am anderen Ende der Leitung unbehaglich auf seinem Stuhl herumrutschte. Vielleicht stand ihm ein wenig Schweiß auf der Stirn und lief ihm die Achselhöhlen hinunter.
    »Natürlich, aber …«
    »Aber in der Society war niemand allzu sehr an der Wahrheit interessiert, hab ich Recht? Am besten ging sie zusammen mit Dr. Starks im Meer unter, so war es doch?«
    »Ich glaube, ich sollte keine weiteren Fragen beantworten, Mr., ähm …«
    »Natürlich nicht. Im Moment jedenfalls nicht. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Aber es ist schon seltsam, Doktor, finden Sie nicht?«
    »Was?«
    »Dass die Wahrheit weitaus stärker ist als der Tod?«
    Mit dieser Feststellung trennte Ricky die Verbindung.
    Er legte sich aufs Bett zurück und starrte an die weiße Decke und die nackte Birne. Er fühlte den eigenen Schweiß unter den Armen, als hätte ihn diese Unterhaltung angestrengt, doch nicht die Nervosität hatte ihm das Wasser aus den Poren getrieben, sondern die moralische Entrüstung. Im Zimmer nebenan fing das Paar noch mal von vorne an, und einen Moment lang lauschte er – fast amüsiert und keineswegs unangenehm berührt – dem unverwechselbaren Rhythmus von Sex. So hatte mehr als einer an diesem gewöhnlichen Wochentag ein bisschen Vergnügen.
    Nach einer Weile stand er auf und suchte nach Schreibzeug, bis er in der Nachttischschublade einen kleinen Block und einen billigen Kugelschreiber fand.
    Auf das Papier schrieb er Namen und Nummern der beiden Männer, die er soeben angerufen hatte, und zuletzt:
Geld. Ansehen
. Dann hakte er die beiden Worte ab und schrieb den Namen des dritten schäbigen Hotels

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