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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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zu sagen hatte, auch nur halbwegs der Wahrheit entsprach und dem Gesetz standhielt oder nicht. Merlin war der Pedant, der sich in Rickys Leben eingeschlichen und dort nur Unheil angerichtet hatte.
    Nur dass er jetzt einen Namen hatte. Und eine Adresse.
    Und genauso, wie sich Merlin Zugang zu Frederick Starks verschafft hatte, so kam jetzt Ricky an den Mann heran, der hinter dem Zauberer steckte.
    Er stellte sich wieder die Hände des Anwalts vor, besonders die manikürten Nägel. Dann huschte ein Lächeln über Rickys Gesicht, denn er hatte einen Ehering vor Augen. Er erinnerte sich genau. Das hieß, es gab ein Haus. Eine Frau. Vielleicht auch Kinder. All das, was für einen ambitionierten jungen Städter in einem akademischen Beruf auf der Überholspur selbstverständlich dazugehört.
    Nur dass Merlin der Anwalt ein paar Geister aus seiner Vergangenheit nicht bannen konnte. Und dass er ein Gespenstzum Bruder hatte. Ricky hörte dem Mann zu und dachte daran, welch komplexes psychologisches Zusammenspiel hier wohl am Werke war. Für den Psychoanalytiker, der er einmal gewesen war, wäre es eine lohnende Herausforderung gewesen, es zu sichten und zu ergründen. Dem Mann, der er jetzt gezwungenermaßen war, stellte sich eine weitaus simplere Aufgabe. Er griff sich in die Tasche und betastete das Kinderspielzeug, das er hineingesteckt hatte.
    Auf der Bank schüttelte der Richter den Kopf und machte Anstalten, die Anhörung auf die Nachmittagssitzung zu vertagen. Dies war das Stichwort für Rickys Abgang, und er stand lautlos auf.
    Er postierte sich nicht weit vom Notausgang zum Treppenhaus und wartete gegenüber von einigen Fahrstühlen. Kaum hatte er die Gruppe Anwälte beim Verlassen des Gerichtssaals erspäht, versteckte er sich im Treppenhaus. Er war lange genug stehen geblieben, um zu sehen, dass Merlin zwei vollgestopfte Aktenkoffer trug, die zweifellos von Dokumenten und gerichtlichen Papieren überquollen. Zu schwer, um sie weiter als bis zum nächstgelegenen Fahrstuhl zu schleppen.
    Zwei Stufen auf einmal rannte Ricky die Treppe hoch zum zweiten Geschoss. Dort warteten bereits ein paar Leute darauf, einen Stock nach unten zu fahren. Ricky stellte sich, die Hand um den Griff des Spielzeugs in seiner Tasche, dazu. Er starrte zu der elektronischen Anzeige hoch und sah, dass der Fahrstuhl im Stockwerk über ihnen hielt. Dann setzte er sich nach unten in Bewegung. So viel wusste Ricky: Merlin war nicht der Typ, der zurücktritt, um anderen Platz zu machen. Der Fahrstuhl hielt, und die Türen öffneten sich mit einem sanften Geräusch.
    Ricky trat hinter den anderen näher heran. Merlin stand genau in der Mitte.
    Der Anwalt hob den Kopf, und Ricky sah ihm gerade in die Augen.
    Eine Sekunde des Wiedererkennens flackerte in seinem Blick, und Ricky sah, wie dem Anwalt plötzlich die Panik ins Gesicht geschrieben stand.
    »Hallo, Merlin«, sagte Ricky ruhig. »Und jetzt weiß ich, wer Sie sind.«
    Im selben Moment zog er die Spielzeugpistole aus der Tasche und zielte auf Merlins Brust. Es war eine Wasserpistole in der Form einer deutschen Luger aus dem Zweiten Weltkrieg. Er drückte ab.
    Ein Strahl schwarzer Tinte kam herausgeschossen und traf Merlin in die Brust.
    Bevor irgendjemand reagieren konnte, glitten die Türen wieder zu.
    Ricky sprang zum Treppenhaus zurück. Er rannte nicht nach unten, denn er wusste, dass er nicht schneller war als der Lift. Stattdessen stieg er bis zum fünften Stock hoch und suchte die Herrentoilette auf. Dort warf er die Wasserpistole, nachdem er wie bei einer echten Waffe die Fingerabdrücke abgewischt hatte, in einen Abfalleimer und wusch sich die Hände. Er wartete ein Weilchen und lief durch die Flure ans entgegengesetzte Ende des Gerichts. Wie er am Vortag erfahren hatte, gab es noch mehr Fahrstühle und Treppen sowie einen zweiten Ausgang. Er heftete sich heimlich einer anderen Gruppe Anwälte, die von anderen Anhörungen kamen, an die Fersen und manövrierte sich nach unten. Wie erwartet, war in diesem Teil der Eingangshalle nichts von Merlin zu sehen. Merlin würde keine große Lust verspüren, den eigentlichen Grund für die Flecken auf seinem Hemd und Anzug zu erklären.
    Und er wird bald sehen, fügte Ricky in Gedanken hinzu, dass die Tinte, die ich verwendet habe, unlöslich ist. – Er hoffte,dass er an diesem Morgen weitaus mehr ruiniert hatte als ein Hemd, einen Anzug und eine Krawatte.
     
    Das Restaurant, das Ricky für das Mittagessen mit der ambitionierten Schauspielerin

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