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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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noch aus Arztterminen und Medikamenten und Schmerzen und Hilflosigkeit bestand. Es handelte sich dabei um die alten Pensionäre und Leute, die nichts Besseres mit sich anzufangen wussten und Gerichtssäle wie Anwälte unterhaltsam fanden. Sie erinnerten ein wenig an Vogelbeobachter im Wald; auf der Suche nach dramatischen Zeugenaussagen und spannenden Konflikten liefen sie von einem Fall zum nächsten und reservierten sich bei prominenten, publicityträchtigen Verfahren gute Zuschauerplätze. Ihr Erscheinungsbild war bescheiden, manchmal nur einen Hauch über den Leuten, dieauf der Straße leben. Sie waren einen Schritt vom Veteranenoder Altenheim entfernt und trugen Polyester, egal wie heiß es draußen war. Ein Kinderspiel, dachte Ricky, sich ein Weilchen unter diese Gruppe zu mischen.
    Schon beim Verlassen des Gerichtsgebäudes nahm in seinem Kopf ein Plan Gestalt an.
    Zuerst fuhr er im Taxi zum Times Square, wo er einen der vielen Scherzartikelläden besuchte, in dem man eine imitierte Ausgabe der
New York Times
mit dem eigenen Namen in einer Schlagzeile kaufen kann. Dort ließ er sich von dem Angestellten ein halbes Dutzend gefälschte Visitenkarten drucken. Anschließend winkte er ein zweites Taxi heran, das ihn zu einem Gebäude aus Glas und Stahl an der East Side brachte. Dort empfing ihn ein Wachmann am Eingang, bei dem er sich eintragen musste, was er mit einem schwungvollen Schnörkel unter Frederick Lazarus tat, nachdem er als Beruf Produzent eingetragen hatte. Der Wachmann händigte ihm eine kleine Ansteckmarke aus, mit der Nummer sechs für das Stockwerk, zu dem er wollte. Das Formular würdigte der Mann nicht eines Blickes, als Ricky es ihm reichte. Der Sicherheitsdienst, dachte Ricky, richtet sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. Er sah nach dem aus, was er vorgab zu sein, und legte ein forsches Selbstvertrauen an den Tag, das sich die Fragen eines Türstehers verbat. Es war eine kleine Vorstellung, resümierte er, doch Virgil hätte sie sicher zu würdigen gewusst.
    Als er das Büro der Agentur Jones betrat, begrüßte ihn eine attraktive Empfangsdame.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie.
    »Ich hab hier vor kurzem mit jemandem gesprochen«, log Ricky. »Über einen Werbespot, den wir in Kürze machen. Wir suchen nach ein paar unverbrauchten Gesichtern und würden gerne mal einen Blick auf die neuen Talente werfen,die Sie anzubieten haben. Ich wollte Ihr Album durchschauen …«
    Die Empfangsdame sah ihn ein wenig misstrauisch an. »Erinnern Sie sich, mit wem Sie gesprochen haben?«
    »Nein, tut mir leid. Meine Assistentin hat den Anruf gemacht«, erklärte Ricky. Die Frau nickte. »Aber vielleicht könnte ich mal rasch die Porträts durchblättern, und dann helfen Sie mir weiter?«
    Die junge Frau lächelte. »Kein Problem«, sagte sie. Damit griff sie unter den Schreibtisch und holte eine große Ledermappe hervor. »Das sind die derzeitigen Klienten«, sagte sie. »Falls Sie jemanden finden, kann ich Sie an den Agenten verweisen, der die Termine macht.« Sie deutete auf ein Ledersofa in der Ecke des Raums. Ricky nahm das Album entgegen und fing zu blättern an.
    Virgil war das siebte Foto.
    »Hallo«, sagte Ricky leise vor sich hin, während er umblätterte und sah, dass ihr richtiger Name mit vollständiger Anschrift, Telefonnummer und dem Agenten sowie einer Liste ihrer Auftritte in Off-Broadway-Theaterproduktionen und Reklame-Engagements auf der Rückseite standen. Er notierte sich alles, was er brauchte, auf einem Block. Dann tat er genau dasselbe mit zwei anderen Schauspielerinnen. Er brachte der Empfangsdame das Album zurück und sah zugleich auf die Uhr.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Aber es wird ein bisschen knapp mit einem anderen Termin. Ein paar davon kommen als Typ infrage, aber wir müssen sie erst persönlich sehen, bevor wir was Verbindliches sagen können.«
    »Selbstverständlich«, erwiderte die junge Frau.
    Ricky gab sich weiterhin getrieben und gehetzt. »Hören Sie, ich stehe heute mächtig unter Zeitdruck. Ob Sie vielleicht diedrei anrufen und Termine für mich abmachen könnten? Warten Sie, die hier morgen Mittag, im Vincent’s, drüben auf der Zweiundachtzigsten Ost. Dann die anderen beiden, sagen wir, um zwei und um vier Uhr nachmittags, am selben Treff? Ich wäre Ihnen sehr verbunden. Alles wahnsinnig knapp, wenn Sie verstehen …«
    Die Angestellte schien ein wenig in Verlegenheit. »Normalerweise müssen die Agenten die Termine machen«, sagte sie

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