Der Patient
erneut einer Ihrer Langzeitpatienten beschließen würde, sich mit dem Eighth-Avenue-Express anzulegen, stimmt’s?«
Ricky fuhr mit finsterer Miene auf seinem Stuhl zurück.
»Mir gefällt nicht, was Sie mit Ihrer Frage andeuten wollen, Detective.«
Riggins lächelte und schüttelte dabei kaum merklich den Kopf. »Nun ja, kommen wir zu einer anderen Frage. Wenn Sie der Meinung sind, er hat sich nicht das Leben genommen, dann gibt es nur die Alternative, dass ihn jemand vor diesen Zug gestoßen hat. Hat Mr. Zimmerman jemals jemanden erwähnt, der ihn hasst oder der einen Groll gegen ihn hegte oder der sonst ein Mordmotiv hatte? Er hat jeden Tag mit Ihnen gesprochen, da wäre es nur natürlich, dass er es erwähnt hätte, falls er von einem unbekannten Killer verfolgt wurde. Hat er so was erwähnt?«
»Nein. Er hat nie jemanden erwähnt, der in diese Kategorie passen würde.«
»Er hat also nie gesagt: ›Der und der sähe mich am liebsten tot …‹?«
»Nein.«
»Und Sie könnten sich erinnern, wenn er es hätte?«
»Selbstverständlich.«
»Okay. Demnach gibt es keinen offensichtlichen Hinweis darauf, dass jemand ihn kaltmachen wollte. Kein Geschäftspartner? Ehemalige Geliebte? Ehemann, dem er Hörner aufgesetzt hat? Sie meinen, jemand hat ihn vor den Zug geschubst, weil – tja, weswegen? Nur so zum Spaß? Oder aus sonst einem mysteriösen Grund?«
Ricky überlegte. Ihm wurde bewusst, dass dies hier seine Chance war, der Polizei von dem Brief zu erzählen, in dem er aufgefordert wurde, sich das Leben zu nehmen; von der nackten Frau, die sich Virgil nannte, dem Spiel, zu dem er herausgefordert wurde. Er brauchte nichts weiter zu sagen, als dass hier ein Verbrechen vorlag und dass Zimmerman das Opfer eines Anschlags war, der nichts weiter mit ihm zu tun hatte, außer dass er sterben musste. Ricky machte schon den Mund auf, um mit all diesen Einzelheiten herauszuplatzen und ihnen ungefiltert freien Lauf zu lassen, doch dann sah er eine gelangweilte, wenig interessierte Ermittlerin vor sich, der es nur noch darum ging, einen ganz und gar unangenehmen Tag mit einem einzigen schreibmaschinenausgefüllten Formular zum Abschluss zu bringen, das für die Informationen, mit denen er aufwarten würde, nicht einmal eine Spalte vorsah.
In dieser Sekunde beschloss er, die Sache für sich zu behalten. Das entsprach seiner Psychoanalytikernatur. So schnell brachte man ihn nicht dazu, öffentlich Mutmaßungen und Spekulationen anzustellen. »Vielleicht«, sagte er. »Was wissen Sie über diese andere Frau? Die Frau, die LuAnne die zehn Dollar gegeben hat?«
Die Polizistin runzelte die Stirn, als verwirrte sie die Frage. »Was soll mit der sein?«
»Finden Sie ihr Verhalten nicht ein klein wenig verdächtig? Sieht es nicht so aus, als hätte sie LuAnne in den Mund gelegt, was sie sagen sollte?«
Die Ermittlerin zuckte die Achseln. »Kann ich nicht sagen. Eine Frau und ein Mann in ihrer Begleitung sehen, dass einer der weniger begünstigten Bürger dieser großartigen Stadt möglicherweise zu einem wichtigen Zeugen bei einem Vorfall geworden ist, also kümmern sie sich darum, dass diese arme Zeugin dafür entschädigt wird, dass sie sich meldet, um der Polizei zu helfen. Man kann darin durchaus ehrwürdigen Bürgersinn, statt ein Verdachtsmoment sehen, denn tatsächlich bietet LuAnne uns augenblicklich ihre Hilfe an, und das haben wir wohl zumindest teilweise diesem Paar zu verdanken.«
Ricky überlegte, bevor er fragte, »Sie haben nicht zufällig rausbekommen, wer diese Leute waren?«
Die Kommissarin schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Sie haben einen der ersten Beamten, der erschien, auf LuAnne verwiesen und sind dann gegangen, nachdem sie dem Beamten klar gemacht hatten, dass sie selber von der Stelle aus, an der sie standen, nur schlecht hatten sehen können, was passiert war. Und, nein, er hat von keinem der beiden die Personalien aufgenommen, weil sie keine Zeugen waren. Wieso?«
Ricky war sich nicht sicher, ob er die Frage beantworten wollte. Ein Teil von ihm schrie danach, seinem Herzen Luft zu machen und alles zu erzählen. Doch er hatte keine Ahnung, welche Gefahr darin lag. Er versuchte zu ermessen, zu beurteilen oder abzuschätzen, die Fakten zu überprüfen, doch plötzlich kam es ihm so vor, als wäre all das, was mit ihm und um ihn geschehen war, in einen Nebel gehüllt und unmöglich zu durchdringen. Er schüttelte den Kopf, als könnte die Geste dieses Chaos der Gefühle für ihn entwirren und
Weitere Kostenlose Bücher