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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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stand wieder auf, drehte sich zu der Lampe hinter der Couch um und bemerkte sofort, dass auch hier der Stecker herausgezogen war. Er sah zur Deckenlampe hoch und vermutete, dass hinter dem Glasschirm lediglich die Birne ein Stück herausgeschraubt war.
    Auf seinem Schreibtisch klingelte zum dritten Mal das Telefon. Er nahm ab und fragte barsch: »Wie sind Sie hier hereingekommen?«
    »Meinen Sie, Mr. R. kann sich keinen fähigen Schlosser leisten?«, fragte Virgil geziert zurück. »Oder einen Einbrecher-Profi? Jemanden, der sich mit den altertümlichen Schnappschlössern auskennt, die Sie an der Wohnungstür haben, Ricky? Noch nie daran gedacht, das mal modernisieren zu las sen? Elektrische Schließmechanismen mit Laser und Infrarot-Bewegungsmelder? Oder Handabdrucktechnik oder gleich eins von diesen Netzhauterkennungssystemen, die sie in Regierungseinrichtungen haben. Wissen Sie, diese Dinger kann auch der Privatmann kaufen, wenn auch nur über zwielichtige Kanäle. Haben Sie sich noch nie bemüßigt gefühlt, Ihre Sicherheitsvorkehrungen ein bisschen auf Vordermann zu bringen?«
    »Ich hab solchen Schwachsinn nie nötig gehabt«, schnaubte Ricky.
    »Ist denn nie bei Ihnen eingebrochen worden? In all den Jahren in Manhattan?«
    »Nein.«
    »Nun ja«, sagte Virgil blasiert, »vermutlich ist nie jemand auf die Idee gekommen, dass es bei Ihnen was zu holen gibt. Aber das hat sich jetzt geändert, nicht wahr, Doktorchen? Mein Auftraggeber findet es überaus lohnend, und er scheint dafür kein Risiko zu scheuen.«
    Ricky antwortete nicht. Er riss den Kopf hoch und starrte aus dem Sprechzimmerfenster.
    »Sie können mich sehen«, sagte er aufgebracht. »Sie schauen in diesem Moment zu mir rüber, stimmt’s? Woher sollten Sie sonst wissen, dass ich die Lichter wieder angekriegt habe?«
    Virgil brach in Gelächter aus. »Das wurde aber langsam Zeit,Ricky. Sie machen gewisse Fortschritte, wenn Sie endlich in der Lage sind, das Offensichtliche festzustellen.«
    »Wo sind Sie?«, fragte Ricky.
    Virgil schwieg, bevor sie antwortete: »Ganz in der Nähe. Ich blicke Ihnen sozusagen über die Schulter, Ricky. Ich stehe im Schatten, den Sie werfen. Was hätte man auch schon von einer Führerin, die nicht da ist, wenn man sie braucht?«
    Ihm fiel keine Antwort ein.
    »Wie dem auch sei«, sagte Virgil und verfiel wieder in diesen beschwingten Ton, den Ricky allmählich irritierend fand. »Meinetwegen gebe ich Ihnen einen kleinen Fingerzeig, Doktor. Mr. R. ist ein Sportsfreund. Bei all der Planung, die er in diesen kleinen Rachefeldzug gesteckt hat, können Sie sich eigentlich denken, dass er nicht übel Lust verspürt, dieses Spiel nach Regeln zu spielen, die Sie nicht begreifen. Was haben Sie heute Abend gelernt, Ricky?«
    »Ich habe gelernt, dass Sie und Ihr Auftraggeber kranke, widerwärtige Menschen sind«, platzte Ricky heraus. »Und ich will nichts mit Ihnen zu schaffen haben.«
    Virgils Lachen in der Leitung klang kalt und verächtlich.
    »Ist das alles? Mehr haben Sie nicht gelernt? Und wie sind Sie zu diesem Schluss gekommen? Das heißt nicht, dass ich es leugne. Aber es würde mich interessieren, welche psychoanalytische oder medizinische Theorie Ihrer Diagnose zugrunde liegt, Herr Doktor, wo Sie uns, wenn mich mein unmaßgeblicher Laienverstand nicht trügt, überhaupt nicht kennen. Also, wir beide hatten erst eine Sitzung. Und Sie haben immer noch keinen blassen Schimmer, wer Rumpelstilzchen ist, nicht wahr? Und trotzdem ziehen Sie jede Menge voreilige Schlüsse. Also, Ricky, ich muss schon sagen, das kann gefährlich für Sie werden, in der heiklen Lage, in der Sie sind. Ich denke, Sie sollten sich für alles offen halten.«
    »Zimmerman …«, fing nun er in einem Ton an, in den sich auf eigenwillige Weise Wut und Kälte mischte. »Was war mit Zimmerman? Sie waren da. Haben Sie ihn von der Plattform gestoßen? Oder haben Sie ihn nur ein bisschen geschubst oder angerempelt, so dass er das Gleichgewicht verlor? Glauben Sie im Ernst, Sie können ungestraft einen Mord begehen?«
    Virgil schwieg einen Moment, bevor sie geradeheraus antwortete: »Ja, Ricky, das glaube ich allerdings. Ich glaube, dass man heutzutage mit allen möglichen Verbrechen davonkommt, bis hin zu Mord. Passiert alle Tage. Im Falle Ihres unglückseligen Patienten allerdings – oder sollte ich Expatient sagen? – spricht die Beweislage viel mehr dafür, dass er gesprungen ist. Können Sie mit absoluter Sicherheit sagen, dass er nicht gesprungen ist?

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