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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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versetzte ihm einen tiefen Stich mitten ins Herz. Ricky wusste, dass er das letzte Mal von dem Konto bei der Apotheke Gebrauch gemacht hatte, als er für seine im Sterben liegende Frau Morphium besorgt hatte. Das war mindestens drei Jahre her.
    Er würgte die Erinnerung ab und versuchte, sie innerlich herunterzuschlucken. Dann holte er tief Luft und sagte: »Der Kurier soll bitte folgendermaßen klingeln: dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. Dann weiß ich, dass er es ist, und mache auf.«
    Der Apotheker überlegte einen Augenblick, bevor er fragte, »Ist das nicht das Morsezeichen für SOS?«
    »Richtig«, sagte Ricky.
    Er legte auf und ließ sich schwer gegen die Stuhllehne fallen, während ihn Bilder aus den letzten Tagen seiner Frau bedrängten. Sie waren zu schmerzhaft für ihn, und er wandte sich ein wenig ab und senkte den Blick auf die Tischplatte. Er merkte, dass die Liste der Verwandten, die Rumpelstilzchen ihm geschickt hatte, auffällig mitten auf seiner Schreibtischunterlage prangte, und einen schwindelerregenden Moment lang konnte Ricky sich nicht entsinnen, sie dort hingelegt zu haben. Langsam streckte er die Hand danach aus und zog das Blatt heran, das sich augenblicklich mit den Gesichtern der jungen Leute füllte, die Virgil ihm auf den Tisch geknallt hatte. Er ging die Namen auf der Seite durch und versuchte, die Gesichter mit den Buchstaben zu verknüpfen, die ihm vor den Augen flirrten wie die Hitze, die bei einer Autofahrt aus dem Highway aufsteigt. Er versuchte, sich zusammenzureißen, denn er wusste, dass ihm die Zuordnung unbedingt gelingen musste; dass das Leben eines Menschen davon abhängen konnte, ohne dass derjenige es ahnte.
    Bei dem Versuch, sich zu konzentrieren, blickte er nach unten.
    Urplötzlich verwirrt, sah er sich um, und seine Augen schossen hin und her, während ihm ein unbehagliches Gefühl durch die Glieder zuckte. Er merkte, wie er einen trockenen Mund bekam und sich ihm der Magen umdrehte.
    Er hob einzelne Notizen, Schreibblöcke und anderen Papierkram hoch, auch wenn er im selben Moment wusste, dass das, wonach er suchte, verschwunden war.
    Rumpelstilzchens erster Brief, in dem er ihm die Grundzüge des Spiels erklärte und die ersten Hinweise gab, war von seinem Schreibtisch entfernt worden. Der handgreifliche Beweis für das, was Ricky drohte, war nicht mehr da. Was nichts daran änderte, wie reell diese Bedrohung war.

13
     
    Er strich einen weiteren Tag in seinem Kalender aus und notierte auf dem Block, der vor ihm lag, zwei Telefonnummern. Die erste gehörte zu Detective Riggins von der New York City Transit Authority Police. Bei der zweiten handelte es sich um eine Nummer, die er seit Jahren nicht mehr gewählt hatte, so dass er Zweifel hegte, ob sie überhaupt noch gemeldet war. Es war der Anschluss von Dr. William Lewis. Vor fünfundzwanzig Jahren war Dr. Lewis der Psychoanalytiker gewesen, der Ricky ausgebildet, der Rickys eigene Analyse vorgenommen hatte, die er für seine Zulassung brauchte. Es gehört zu den kuriosen Besonderheiten dieses Berufs, dass jeder, der die Methode praktizieren will, sich erst einmal selbst behandeln lassen muss. Ein Herzchirurg käme nie auf den Gedanken, sich als Teil seiner Ausbildung selbst unters Messer zu begeben, ein Analytiker dagegen schon.
    Die zwei Nummern, kam ihm in den Sinn, standen für zwei völlig gegensätzliche Hilfsquellen. Er war sich keineswegs sicher, ob eine davon tatsächlich Hilfe versprach, doch er war nicht sicher, ob er noch in der Lage war, all diese Ereignisse für sich zu behalten, wie Rumpelstilzchen empfohlen hatte. Er musste mit jemandem reden. Wer der richtige Ansprechpartner war, würde sich allerdings erst erweisen.
    Die Kommissarin meldete sich beim zweiten Klingelzeichen mit einem knappen »Riggins«.
    »Detective, Dr. Frederick Starks. Sie erinnern sich bestimmt,wir haben letzte Woche über den Tod eines meiner Patienten gesprochen …«
    Einen Moment lang herrschte am anderen Ende Schweigen, nicht mangels Erinnerungsvermögen, sondern eher vor Überraschung über den unverhofften Anruf. »Sicher, Doktor. Ich hatte Ihnen eine Kopie des Abschiedsbriefs zugeschickt, den wir noch gefunden hatten. Ich dachte, der Fall wäre damit ziemlich eindeutig geklärt. Was macht Ihnen zu schaffen, Doktor?«
    »Ich dachte, ich könnte vielleicht mit Ihnen über einige Umstände in Verbindung mit dem Tod von Mr. Zimmerman reden.«
    »Was für Umstände, Doktor?«
    »Lieber nicht am Telefon.«
    Die

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