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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Polizistin lachte kurz auf, als sei das Anliegen amüsant.
    »Das klingt schrecklich melodramatisch, Doktor. Aber klar. Wollen Sie herkommen?«
    »Ich nehme an, Sie haben irgendwo eine Räumlichkeit, wo wir unter vier Augen sprechen können?«
    »Selbstverständlich. Wir haben ein grässliches kleines Verhörzimmer, wo wir den unterschiedlichsten Verdächtigen Geständnisse entlocken. Eigentlich dasselbe wie in Ihrer Praxis, nur weniger zivilisiert und sehr viel schneller …«
    Ricky winkte an der Straßenecke ein Taxi heran, mit dem er zehn Häuserblocks nach Norden fuhr, wo er sich an der Ecke Madison und Sechsundneunzigste absetzen ließ. Er betrat den erstbesten Laden, bei dem es sich zufällig um ein Geschäft für Damenschuhe handelte, verbrachte genau neunzig Sekunden damit, sich die Waren anzusehen, während er regelmäßig durch das Schaufenster auf die Ampel an der Ecke schielte. Kaum sprang sie auf Grün, verließ er den Laden und überquerte die Straße, um ein weiteres Taxi heranzuwinken. DiesenFahrer wies er an, Richtung Süden bis zur Grand Central Station zu fahren.
    Für die Mittagszeit an einem Sommertag war der Bahnhof nicht sonderlich belebt. Ein stetiger Menschenstrom verteilte sich in dem höhlenartigen Labyrinth auf die Pendlerzüge oder U-Bahn-Verbindungen, machte einen Bogen um den einen oder anderen singenden oder murmelnden Obdachlosen, der in der Nähe der Eingänge lungerte, lief achtlos an den großen, grellen Werbeflächen vorüber, die Grand Central mit einem überirdischen Licht erfüllten. Ricky fädelte sich in den Menschenstrom ein und versuchte, auf seinem Weg quer durch den Bahnhof möglichst zügig mitzulaufen. Dies war ein Ort, an dem man sich nicht gern unentschlossen zeigte, und so lief er in der Parade dieser zielstrebigen Menschen mit und wappnete sich wie sie mit diesem eisernen Gesichtsausdruck gegen den Rest der Menschheit – jeder Passant eine eigene kleine Insel im Strom. So schwammen sie alle, nicht haltlos, sondern innerlich fest verankert, stetig im Fahrwasser mit. Nur dass er sich bei aller Verstellung innerlich ankerlos fühlte. Er nahm den erstbesten einfahrenden Zug nach Westen, fuhr bis zur nächsten Station, sprang rasch auf den Bahnsteig und lief die Treppen zur wie im Backofen glühenden Straße hoch, wo er wiederum das nächste Taxi nahm, das er erwischte. Dabei sorgte er dafür, dass der Wagen nach Süden, also genau in die entgegengesetzte Richtung, fuhr. Er ließ den Mann eine Runde um den Häuserblock drehen, dann in eine Querstraße einbiegen, wo er sich zwischen Lieferwagen hindurchmanövrieren musste, während Ricky unentwegt durch die Heckscheibe starrte, um zu sehen, wer ihnen vielleicht folgte.
    Für den Fall, dass Rumpelstilzchen oder Virgil oder Merlin oder wer sonst noch für seinen Widersacher arbeitete, ihm unbemerkt hatte folgen können, rechnete sich Ricky keinerleiChancen aus. Er sackte geräuschvoll in den Sitz und fuhr schweigend zur Station der Transit Authority Police in der Sechsundneunzigsten Ecke Broadway.
    Als er zur Tür des Kommissariats hereinkam, erhob sich Detective Riggins. Sie wirkte nicht annähernd so erschöpft wie bei ihrer ersten Begegnung, auch wenn ihre Kleidung fast unverändert war: modische dunkle Hose zu unpassenden Sportschuhen, hellblaues Anzughemd mit locker gebundenem rotem Schlips, daneben ein Schulterhalfter aus braunem Leder mit einer kleinen Automatik links von ihrer Brust. Eine höchst seltsame Erscheinung, musste Ricky denken. Die Polizistin kombinierte Männerkleidung mit einem femininen Zug, während ihr Make-up und Parfüm im Gegensatz zum insgesamt maskulinen Stil standen. Das Haar fiel ihr lässig gewellt bis auf die Schulter, während die Laufschuhe agile Schnelligkeit signalisierten.
    Ihr Händedruck war fest. »Freut mich, Sie zu sehen, Doc, auch wenn es, wie ich zugebe, überraschend kommt.« Ihr taxierender Blick wanderte, wie bei einem Schneider angesichts eines aus der Form gegangenen Kunden, der sich in einen modischen Anzug zwängen will, ein paarmal blitzschnell an ihm auf und ab.
    »Danke, dass Sie so schnell …«, fing er an, doch sie unterbrach ihn mitten im Satz.
    »Sie sehen lausig aus, Doc. Vielleicht nehmen Sie sich Zimmermans Bekanntschaft mit einem U-Bahn-Zug ein wenig zu sehr zu Herzen.«
    Er schüttelte den Kopf und brachte ein zaghaftes Lächeln zuwege. »Bisschen zu wenig Schlaf«, räumte Ricky ein.
    »Tatsächlich«, erwiderte Riggins ironisch. Sie deutete mit einer

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