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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Armbewegung auf einen Nebenraum, das Verhörzimmer, von dem sie gesprochen hatte.
    Der enge Raum war kahl und menschenfeindlich, bar jeder Dekoration, und ein einziger Tisch aus Metall mit drei passenden Klappstühlen in der Mitte bildete das einzige Mobiliar. Der Tisch hatte eine Linoleumplatte, die von Kratzern und Tintenflecken verunstaltet war. Er dachte an sein Sprechzimmer, besonders an die Couch und an die Bedeutung jedes Gegenstands in Sichtweite des Patienten für den Behandlungsverlauf. Die triste Mondlandschaft, in der er stand, war eine schreckliche Umgebung für Geständnisse, aber schließlich handelte es sich bei den Geständnissen, die hier zu hören waren, auch um schreckliche Taten.
    Riggins hatte seine Gedanken wohl erraten, denn sie sagte: »Das städtische Budget für Raumausstattung ist dieses Jahr ein bisschen dürftig ausgefallen. Wir mussten uns von den Picassos an den Wänden und den Roche-Bobois-Möbeln trennen.« Sie deutete auf einen der Eisenstühle. »Setzen Sie sich, Doktor, und sagen Sie mir, was Sie bedrückt.« Detective Riggins konnte ein Grinsen nur mühsam unterdrücken. »So oder so ähnlich klingt das doch sicher bei Ihnen?«
    »Mehr oder weniger«, erwiderte Ricky. »Auch wenn ich nicht weiß, was daran so lustig ist.«
    Riggins nickte und schwächte den amüsierten Unterton ab. »Bitte um Entschuldigung«, sagte sie. »Nur wegen der verkehrten Rollen, Dr. Starks. Schließlich kriegen wir hier Leute aus Ihren gehobenen Kreisen nicht alle Tage zu Gesicht. Die Transit Authority Police hat es mit ziemlich gewöhnlichen und hässlichen Straftaten zu tun. Meistens Raubüberfälle. Bandenkriminalität. Obdachlose geraten in Schlägereien, die mit Totschlag enden. Was belastet Sie dermaßen? Ich verspreche Ihnen, die Sache äußerst ernst zu nehmen.«
    »Es amüsiert Sie, mich so zu sehen …«
    »Unter Stress. Ja, gebe ich zu.«
    »Mit Psychiatrie haben Sie nichts am Hut?«
    »Nein. Ich hatte einen Bruder, der depressiv und schizophren war und von einer Anstalt in die andere kam, und jeder Arzt hat ihn nur totgequatscht. Daher die Vorurteile. Lassen wir’s dabei bewenden.«
    Ricky schwieg, bevor er sagte: »Na ja, meine Frau ist vor ein paar Jahren an Eierstockkrebs gestorben, aber ich hab nicht die Ärzte gehasst, die ihr nicht helfen konnten, sondern die Krankheit.«
    Riggins nickte wieder. »Der Punkt geht an Sie.«
    Ricky war nicht sicher, wo er beginnen sollte, und so kam er zu dem Schluss, dass er genauso gut mit Zimmerman anfangen konnte wie irgendwo sonst. »Ich hab die Abschiedszeilen gelesen«, sagte er. »Um ehrlich zu sein, klangen sie nicht nach meinem Patienten. Ob Sie mir wohl sagen könnten, wo Sie sie gefunden haben?«
    Riggins zuckte ein wenig die Achseln. »Wieso nicht? Sie lagen auf dem Kissen seines Bettes in seiner Wohnung. Fein säuberlich gefaltet und nicht zu übersehen.«
    »Wer hat den Brief gefunden?«
    »Ich selbst. Nachdem ich mit den Zeugen fertig war und mit Ihnen geredet hatte, bin ich am nächsten Tag in seine Wohnung gegangen und hab ihn sofort gesehen, als ich sein Schlafzimmer betrat.«
    »Zimmermans Mutter, sie ist bettlägerig …«
    »Sie war nach dem ersten Anruf so verstört, dass ich die Sanitäter geholt habe, die sie für ein paar Nächte ins Krankenhaus eingewiesen haben. Soweit ich weiß, kommt sie in den nächsten Tagen in ein Heim für betreutes Wohnen in Rockland County. Der Bruder kümmert sich drum. Telefonisch, von Kalifornien aus. Scheint nicht allzu sehr von der Rolle zu sein nach dem, was passiert ist, und vor Menschlichkeitsprüht er wohl auch nicht gerade, besonders in bezug auf seine Mutter.«
    »Nur dass ich das richtig verstehe«, sagte Ricky. »Die Mutter kommt ins Krankenhaus, und am nächsten Tag finden Sie den Brief …«
    Detective Riggins lächelte matt. »Na ja, ich weiß auch, dass Zimmerman ihn da nicht irgendwann nach drei Uhr nachmittags hingelegt hat, weil er da nämlich schon den Zug genommen hatte, bevor er hielt, was wohl keine so gute Idee gewesen ist.«
    »Jemand anders könnte ihn da hingelegt haben.«
    »Sicher, wenn man in allen Ecken und Winkeln Verschwörungen sieht. Wenn man die Flöhe husten hört. Doktor, er war unglücklich und ist vor einen Zug gesprungen. Das kommt vor.«
    »Dieser Brief«, beharrte Ricky, »der war getippt, nicht wahr? Und ohne Unterschrift, ich meine, der Name war auch getippt.«
    »Ja, auch das ist richtig.«
    »Mit dem Computer geschrieben, nehme ich mal an.«
    »Ja, wieder

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