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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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den von verbranntem Fleisch.

Kapitel 15
    E ine wahrhaft reiche Beute war zu verteilen. So reich, dass seit Tagen eine Ratsversammlung die andere ablöste und keine Einigung in Sicht war.
    Bereits Tage vor der Hinrichtung hatten die Juden ihre Pfänder und Schuldverschreibungen herausrücken müssen. Die Rechte an ihrem Vermögen waren vorerst an den Rat der Stadt gegangen. Doch wie nun sollte dieser ungeheure Reichtum verteilt werden? Da waren die gutgefüllten Kassetten mit Münzgeld, das die Juden als Wechsler und Geldverleiher in großen Mengen bereithalten mussten, dazu Perlen, Gold- und Silberschmuck, wertvolle Pelze und Kleider, Vorräte an Wein und Getreide. Auch Wechselurkunden und Rechtstitel auf Gülten und Renten, auf Korn- und Weinernten sowie allerhand Liegenschaften in- und außerhalb der Stadt zählten dazu.
    Der Alte und der Neue Rat der Vierundzwanziger, dem Filibertus Behaimer auch dieses Jahr wieder angehörte, stritten erbittert um die rechte Vorgehensweise. Zunächst war man verfahren wie anderswo auch. Der Rat hatte das gesamte Vermögen eingezogen, um sich anschließend hierüber mit den beiden Grafen als ihren Stadtherren zu verständigen. Man dachte daran, ihnen ihre Gesamtschuld bei den Juden zu erlassen und einen zehnten Teil des Vermögens sowie die Liegenschaften außerhalb der Mauern, die Rebgärten und den Friedhof vor der Stadt zu übergeben. Synagoge und Wohnhäuser wären vom Rat zu beschlagnahmen, um Letztere wohlfeilan verdiente Bürger zu veräußern. Der Mob stellte noch das geringste Problem dar. Man würde ihn damit abspeisen, dass seine widerrechtlichen Plünderungen an Leib und Häusern der Juden nicht geahndet würden. Alles Weitere dann sollte unter den Räten und Zünften verteilt werden.
    Doch bereits mit Grund und Boden wurde es schwierig. Die Synagoge wollten die Herren Grafen den Freiburgern wohlwollend überlassen, ansonsten erhoben sie Anspruch auf sämtliche Wohnhäuser sowie die Hälfte des Vermögens. Ein Aufschrei der Empörung war da durch die Ratsstube gegangen, und man hatte die Sitzung am heutigen Tag, dem fünften nach der Hinrichtung, in lautstarkem Streit mit dem Schultheißen und dem gräflichen Schatzmeister beendet.
    Nicht nur deswegen war Filibertus Behaimer mehr als verdrossen, als er sich auf den Heimweg zum Fischmarkt machte. So hatte er sich das Ganze nicht vorgestellt. Schon der Tod des Brunnenstubenwächters und auch die Hinrichtungen waren nicht in seinem Sinne gewesen. Es hätte vollkommen genügt, die Juden aus der Stadt zu jagen. Gleich morgen wollte er den Stadtpfarrer aufsuchen und der Kirche eine großzügige Spende vermachen, damit Pfarrer Cunrat ihn fürderhin in seine Gebete einschloss. Einen silbernen Messkelch etwa, mit einer hübschen Gravur, die auf ihn als Stifter hinwies, oder einen kostbaren Wandbehang mit biblischen Motiven. Oder noch besser war es, gleich eine Priesterpfründe auf einen der Altäre zu stiften, für sein tägliches Seelenheil.
    Bei diesem Gedanken griff Behaimer sich an die Brust. Immer häufiger in letzter Zeit spürte er hier ein Gefühl der Enge, einen unangenehmen Druck, der sich in stechenden Schmerzen an Schulter oder Oberarm entlud. Womöglich war sein Ende näher, als er dachte.
    Andrerseits: Warum sollte er allein die Verantwortung auf sich nehmen? Hatte man nicht schon bei den Beratungen im elsässischen Benfeld mehr oder weniger deutlich auf das Judenmorden hingearbeitet? Wäre es hier in Freiburg nicht auch ohne den Giftfund bei den Brunnenstuben so weit gekommen? Und eines war so sicher wie das Amen in der Kirche: Auch Straßburg würde dem Beispiel der anderen oberdeutschen Städte folgen. Es war nur eine Frage der Zeit.
    Behaimer wischte sich die Schneeflocken aus dem Gesicht und schnaubte. Da hatte man also gleich drei Fliegen auf einen Streich zur Strecke gebracht: Viele waren, so wie er selbst, ihre Schulden los, ein paar wenige würden sich bereichern können, und das gemeine Volk hatte zumindest seinen Sündenbock für die wirtschaftlichen Nöte und die drohenden Sterbensläufe.
    «Gott zum Gruße, Meister Filibertus.»
    Vor ihm stand Clara Grathwohl. Ums Haar wäre er mit ihr zusammengeprallt.
    «Ah, die heimliche Wundärztin! Wohin des Wegs, so spät am Tag?»
    Augenblicklich spürte er, wie sich seine Stimmung hob. Sein Blick glitt von ihren geröteten Wangen über die kräftige Gestalt, deren Rundungen unter dem losen Umhang nur zu erahnen waren.
    «Muss ich Euch hierüber Rechenschaft

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