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Der Pfad der Dolche

Der Pfad der Dolche

Titel: Der Pfad der Dolche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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und sicherlich hatte niemals jemand ein größeres Recht gehabt, sich Tod zu nennen.
    Manchmal strich er müßig über eine der beiden Geistfallen, die an einfachen Seidenschnüren um seinen Hals hingen. Bei seiner Berührung pulsierte der blutrote Kristall des Cour'souvra - Wirbel, die sich wie ein Herzschlag in unendliche Tiefen bewegten. Aber seine wahre Aufmerksamkeit galt dem vor ihm auf dem Tisch aufgestellten Spiel, dreiunddreißig rote und dreiunddreißig grüne Figuren, über ein Spielbrett von dreizehn Mal dreizehn Quadraten verteilt. Die Nachbildung einer frühen Entwicklungsstufe eines berühmten Spiels. Die wichtigste Figur, der Fischer, schwarzweiß wie das Spielbrett, wartete noch auf seinem angestammten Platz auf dem mittleren Quadrat. Sha'rah war ein schwieriges Spiel, das schon lange vor dem Krieg der Macht entstand. Sha'rah, Teheran und No'ri - das Spiel, das jetzt einfach ›Steine‹ genannt wurde - hatten alle ihre Anhänger, die behaupteten, sie beinhalteten sämtliche Feinheiten des Lebens, aber Moridin hatte Sha'rah stets bevorzugt. Nur neun jemals lebende Menschen erinnerten sich noch an das Spiel. Er war ein Meister darin gewesen. Es war viel komplizierter als Teheran oder No'ri. Das erste Ziel war die Gefangennahme des Fischers. Erst dann begann das eigentliche Spiel.
    Ein Diener näherte sich Moridin, ein schlanker, anmutiger junger Mann in Weiß, unglaublich gutaussehend, und verbeugte sich, bevor er einen Kristallbecher auf einem Silbertablett darreichte. Er lächelte, aber das Lächeln schloß seine Augen nicht mit ein, die eher leblos als einfach tot wirkten. Die meisten Menschen hätten sich unter diesem Blick unbehaglich gefühlt. Moridin nahm nur den Becher entgegen und winkte den Diener fort. Die Lieferanten dieser Zeit boten ausgezeichnete Weine an. Aber er trank nicht.
    Der Fischer hielt seine Aufmerksamkeit gefangen, lockte ihn. Mehrere Figuren konnten verschiedene Züge ausführen, nur die Eigenschaften des Fischers veränderten sich, je nachdem, wo er stand. Auf einem weißen Quadrat war er im Angriff schwach, aber beweglich, und er konnte weit ausweichen. Auf einem schwarzen Quadrat war er im Angriff stark, aber langsam und verwundbar. Wenn Meister spielten, wechselte der Fischer vor Beendigung des Spiels viele Male die Seiten. Die grünrote Ziellinie, die das Spielbrett umgab, konnte mit jeder Figur erreicht werden, aber nur der Fischer durfte sie überschreiten. Nicht daß er dort ungefährdet gewesen wäre. Der Fischer war niemals in Sicherheit. Wenn er einem selbst gehörte, versuchte man, ihn auf ein Quadrat der eigenen Farbe hinter dem gegnerischen Spielbrettende zu bekommen. Das war die leichteste Art zu siegen, aber nicht die einzige. Wenn der Gegner den Fischer besaß, versuchte man, dem Fischer keine andere Wahl zu lassen, als auf ein Feld der eigenen Farbe zu wechseln. Dafür wäre jedes Feld entlang der Ziellinie geeignet. Es konnte sich eher als bedrohlicher erweisen, den Fischer zu besitzen, als daß es ungefährlich war. Natürlich gab es beim Sha'rah noch einen dritten Weg zum Ziel, wenn man ihn einschlug, bevor man sich selbst fangen ließ. Das Spiel artete stets zu einem verworrenen Hin und Her aus, woraufhin der Sieg mit der vollständigen Vernichtung des Gegners erfolgte. Er hatte das einmal verzweifelt versucht, aber der Versuch war fehlgeschlagen. Schmerzlich.
    Zorn wallte jäh in Moridins Kopf auf, und schwarze Flecke tanzten vor seinen Augen, als er die Wahre Macht ergriff. Sich zu Schmerz steigernde Raserei toste in ihm. Seine Hand umfaßte die beiden Geistfallen, und die Wahre Macht schloß sich um den Fischer, riß ihn hoch und zermahlte ihn fast zu Pulver, zermahlte das Pulver beinahe zu Nichts. Der Becher barst in Moridins Hand. Er hätte beinahe auch den Coursouvra zerdrückt. Die Saa waren ein schwarzer Blizzard, aber sie behinderten seine Sicht nicht. Der Fischer war stets als Mann gearbeitet. Eine Augenbinde machte ihn blind, und er preßte eine Hand auf die Seite, wo einige Tropfen Blut durch seine Finger rannen. Die Gründe dafür, wie auch der Ursprung des Namens, waren im Dunst der Zeit verloren. Manchmal erzürnte es ihn, welches Wissen bei den Umdrehungen des Rades verlorenging, Wissen, das er brauchte, Wissen, auf das er ein Recht hatte. Ein Recht!
    Er stellte den Fischer langsam wieder aufs Spielbrett zurück. Seine Finger lösten sich allmählich vom Cour'souvra. Die Vernichtung war noch nicht notwendig. Noch nicht. Eisige Ruhe

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