Der Pfad der Dolche
und doch mußte Adeleas ihre vereinten Stränge konzentriert haben. Vandene hätte den Schild aufrechterhalten können, wenn er erst gewoben war, ohne ihn sehen zu können, aber wäre sie diejenige gewesen, hätte weitaus wahrscheinlicher Adeleas sie hinausgebracht. Vandene hätte mehrere hundert Schritte gehen können, bevor die Verbindung nachließ - diese würde selbst dann nicht zerbrechen, wenn sie und Adeleas an entgegengesetzte Punkte der Erde eilten, obwohl sie schon lange vorher nutzlos geworden wäre -, aber sie blieb in der Nähe der Tür. Sie suchte anscheinend nach den richtigen Worten.
»Ich habe es immer für das beste gehalten, wenn Frauen mit Erfahrung diese Dinge regeln«, sagte sie schließlich. »Junge Frauen ereifern sich leicht. Dann tun sie des Guten zuviel. Oder manchmal erkennen sie, daß sie sich nicht dazu überwinden können, genug zu tun, weil sie tatsächlich noch nicht genug erlebt haben. Oder schlimmstenfalls finden sie ... Geschmack daran. Ich glaube, Ihr habt beide diesen Makel.« Sie sah Aviendha abschätzend an. Aviendha steckte hastig ihren Gürteldolch zurück in die Scheide. »Adeleas und ich haben genug erlebt, um zu wissen, warum wir tun müssen, was getan werden muß, und wir haben den Eifer schon lange abgelegt. Vielleicht werdet Ihr dies uns überlassen. Das ist sicherlich besser.« Vandene schien die Empfehlung zu akzeptieren. Sie nickte und wandte sich wieder der Tür zu.
Sie war kaum dahinter verschwunden, als Elayne innen den Gebrauch der Macht spürte, ein Gewebe, das den Innenraum überlagert haben mußte. Sicherlich ein Schutz vor Lauschern. Sie würden nicht wollen, daß jemand zufällig aufschnappte, was auch immer Ispan sagte. Dann bemerkte sie weiteren Gebrauch der Macht, und die darauffolgende Stille war unheilvoller als jegliche Schreie.
Sie setzte ihren Hut energisch wieder auf. Sie spürte die Hitze nicht, aber das Flimmern der Luft ließ sie sich plötzlich unwohl fühlen. »Vielleicht hilfst du mir, das Gepäck der Lastpferde durchzusehen«, sagte sie hastig. Sie hatte nicht befohlen, daß es getan werden sollte - was immer es war -, aber das änderte anscheinend nichts. Aviendha nickte überraschend schnell. Sie wollte dieser Stille offensichtlich auch entfliehen.
Die Windsucherinnen warteten nicht weit von der Stelle entfernt, wo die Diener die Packpferde hingeführt hatten, warteten ungeduldig und sahen sich gebieterisch um, die Arme in Nachahmung Renailes unter den Brüsten gekreuzt. Alise trat zu ihnen und machte Renaile nach einem raschen Blick als die Anführerin aus. Elayne und Aviendha ignorierte sie.
»Kommt mit«, sagte sie in barschem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Die Aes Sedai meinen, Ihr wolltet sicher den Schatten aufsuchen, bis alles geklärt ist.« Die Worte ›Aes Sedai‹ enthielten ebensoviel Bitterkeit, wie sie Ehrfurcht enthielten, wenn sie von den Frauen der Schwesternschaft ausgesprochen wurden. Vielleicht sogar mehr. Renaile erstarrte, und ihr gebräuntes Gesicht wurde noch dunkler, aber Alise fuhr ungerührt fort. »Ihr Wilden könnt von mir aus dort draußen sitzen und schwitzen, wenn Ihr wollt. Wenn Ihr sitzen könnt.« Es war offensichtlich, daß keine der Atha'an Miere Heilung von der Sattelwundheit erhalten hatte. Sie standen da, als wollten sie vergessen, daß sie unterhalb der Taille existierten. »Aber Ihr werdet mich nicht warten lassen.«
»Wißt Ihr, wer ich bin?« fragte Renaile in kaum beherrschtem Zorn, aber Alise ging bereits davon und blickte nicht zurück. Renaile kämpfte sichtlich mit sich, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und befahl den anderen Windsucherinnen dann verärgert, die verfluchten Pferde zurückzulassen und ihr zu folgen. Sie gingen schwankend und breitbeinig in einer Reihe hinter Alise her, und alle außer den beiden Neulingen murrten vor sich hin -einschließlich Alise.
Elayne überlegte sogleich, wie sie Frieden bewirken und die Schmerzen der Atha'an Miere heilen lassen könnte, ohne daß sie darum bitten müßten. Oder daß eine Schwester es zu eifrig anbieten müßte. Nynaeve mußte ebenso besänftigt werden wie die anderen Schwestern. Elayne erkannte zu ihrer Überraschung plötzlich, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben nicht wirklich den Wunsch hatte, für Ausgleich zu sorgen. Sie beobachtete, wie die Windsucherinnen auf eines der Gebäude des Bauernhofs zuhumpelten, und entschied, daß alles gut war, so wie es war. Aviendha grinste breit, während
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