Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
reichen Zivilisten zu unterscheiden.
Aber das ist unwichtig, sagte Adolin noch einmal zu sich selbst, weil wir ja nicht angegriffen werden.
Er runzelte die Stirn, als er an einer Gruppe von Hellaugen vorbeiging, die vor einem anderen Weinlokal saßen – so wie er selbst es vorhin noch getan hatte. Ihre Kleidung und auch ihre Haltung und ihre Manieren deuteten an, dass sie sich nur um ihr eigenes Wohlergehen kümmerten. Adolin stellte fest, dass ihn das ärgerte. Sie befanden sich im Krieg. Fast jeden Tag starben Soldaten, während die Hellaugen miteinander tranken und plauderten.
Vielleicht bestand der Sinn des Kodex nicht länger im Schutz gegen die Parschendi. Vielleicht ging es doch um mehr – darum,
den Männern Kommandanten zu geben, die sie respektieren und auf die sie sich verlassen konnten. Vielleicht ging es darum, den Krieg mit dem Ernst zu behandeln, der ihm tatsächlich gebührte. Darum, ein Kriegsgebiet nicht in einen Festplatz zu verwandeln. Die einfachen Männer mussten wachsam sein. Und deshalb taten Dalinar und Adolin dasselbe.
Adolin blieb mitten auf der Straße stehen. Niemand verfluchte ihn oder rief ihm zu, er solle weitergehen – sofort erkannten sie seinen Rang. Sie gingen einfach um ihn herum.
Ich glaube, jetzt begreife ich es, dachte er. Warum hatte das so lange gedauert?
Verwirrt eilte er zu dem Duell des heutigen Tages.
»Ich ging von Abamabar nach Urithiru«, sagte Dalinar und zitierte damit aus der Erinnerung. »Dabei sind Metapher und Erfahrung ein und dasselbe, so untrennbar für mich wie mein Verstand und meine Erinnerungen. Das eine enthält das andere, und obwohl ich dir das eine erklären kann, besteht das andere nur für mich allein.«
Sadeas saß neben ihm und hob eine Braue. Elhokar saß auf der anderen Seite und trug seine Splitterrüstung. In letzter Zeit hatte er sich das angewöhnt, denn er war sicher, dass ihm Attentäter nach dem Leben trachteten. Gemeinsam sahen sie den Männern zu, die sich am Boden eines kleinen Kraters duellierten, den Elhokar zur Duellarena für die Lager bestimmt hatte. Die Felsensimse, die an der Innenseite der zehn Fuß hohen Wand verliefen, bildeten ausgezeichnete Sitzgelegenheiten.
Adolins Duell hatte noch nicht begonnen, und die Männer, die nun dort unten kämpften, waren zwar Hellaugen, aber keine Splitterträger. Ihre stumpfen Duellschwerter waren von einer weißen, kalkartigen Substanz überzogen. Wenn jemand
den anderen an der gepolsterten Rüstung traf, hinterließ das ein deutliches Zeichen.
»Warte einmal«, sagte Sadeas zu ihm. »Dieser Mann, der das Buch geschrieben hat …«
»Nohadon lautet sein heiliger Name. Andere nennen ihn Bajerden, aber wir wissen nicht mit Sicherheit, ob das auch sein richtiger Name war.«
»Er wollte von wo bis wo gehen?« »Von Abamabar nach Urithiru«, sagte Dalinar. »Der Geschichte zufolge muss das eine große Entfernung gewesen sein.«
»War er nicht ein König?«
»Ja.«
»Aber warum …«
»Es ist etwas verwirrend«, sagte Dalinar, »aber hör mir zu, dann wirst du es verstehen.« Er räusperte sich und fuhr fort: »Ich legte diese erkenntnisreiche Distanz allein zurück und verbat mir jegliche Begleitung. Ich hatte kein Ross, nur meine abgetragenen Sandalen, keinen Gefährten neben meinem kräftigen Stab, der mich mit seinen Schlägen gegen den Stein unterhielt. Mein Mund war mein Geldbeutel. Ich stopfte ihn nicht mit Edelsteinen, sondern mit Gesang. Wenn mir das Singen keine Nahrung einbrachte, dann säuberten meine Arme einen Boden oder einen Schweinestall, und dies gab mir oft befriedigenden Lohn.
Jene, die mir lieb und wert waren, sorgten sich um meine Sicherheit und vielleicht auch um meine geistige Gesundheit. Könige, so sagten sie, gingen nicht wie Bettler Hunderte von Meilen zu Fuß. Warum aber, so gab ich zur Antwort, sollte einem König nicht gelingen, was doch einem Bettler gelang? Hielten sie mich etwa für unfähiger als einen Bettler?
Manchmal glaube ich, dass ich das bin. Der Bettler weiß vieles, was der König nur erraten kann. Doch wer erlässt die Verordnungen gegen Bettelei? Oft frage ich mich, wieso meine Lebenserfahrung – mein einfaches Leben nach der Wüstwerdung und mein gegenwärtiges Maß an Bequemlichkeit – es mir ermöglichen
sollte, Gesetze zu erlassen. Wenn wir uns auf das verlassen müssten, was wir wissen, dann könnten Könige lediglich Gesetze über das richtige Zubereiten von Tee und das Polstern von Thronen erlassen.«
Darüber runzelte
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