Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
über die Strahlenden glauben soll. Ich soll ihnen vertrauen und möglicherweise dazu gebracht werden, ihren Niedergang und Verrat nachzuvollziehen.«
»Ich weiß nicht«, sagte Navani zweifelnd. »Ich glaube nicht, dass du im Zusammenhang mit den Strahlenden etwas Unwahres gesehen hast. Die Legenden stimmen darin überein, dass sie nicht immer so schlecht gewesen waren – soweit unterschiedliche Legenden überhaupt jemals in irgendetwas übereinstimmen können.«
Dalinar stand auf, nahm ihr den beinahe leeren Becher ab, ging zu dem kleinen Serviertisch hinüber und füllte ihn neu. Eigentlich sollte ihm die Erkenntnis, dass er nicht wahnsinnig war, zu größerer Klarheit verhelfen, doch stattdessen war er nur noch verwirrter geworden. Was war, wenn die Bringer der Leere hinter diesen Visionen steckten? Einige Geschichten, die er über sie gehört hatte, besagten, dass sie in die Körper der Menschen einfahren und sie zum Bösen verleiten konnten. Falls die Visionen aber tatsächlich vom Allmächtigen stammten, worin bestand dann ihr Sinn und Zweck?
»Ich muss über all das nachdenken«, sagte er. »Es ist ein langer Tag gewesen. Ich würde mit meinen Gedanken jetzt gern allein sein.«
Renarin stand auf und neigte respektvoll den Kopf, bevor er zur Tür ging. Navani erhob sich langsamer. Ihr eng anliegendes Kleid raschelte, als sie den Becher auf den Tisch stellte und dann ihr schmerztrinkendes Fabrial an sich nahm. Renarin ging, und Dalinar begab sich ebenfalls zur Tür und wartete, während sie auf ihn zuschritt. Er hatte nicht vor, sich erneut von ihr in eine Falle locken zu lassen. Darum sah er in
den Korridor hinter der Tür. Dort standen seine Soldaten, er konnte sie deutlich sehen. Gut.
»Bist du nicht zufrieden?«, fragte Navani und blieb neben ihm im Türrahmen stehen, an dem sie sich mit der Hand abstützte.
»Zufrieden?«
»Du bist nicht verrückt.«
»Aber wir doch wissen nicht, ob ich gelenkt werde oder nicht«, sagte er. »In gewisser Weise gibt es jetzt sogar noch mehr Fragen als vorher.«
»Die Visionen sind eine Segnung«, sagte Navani und legte ihm die Freihand auf den Arm. »Ich spüre es, Dalinar. Siehst du nicht, wie wunderbar das ist?«
Dalinar sah ihr in die hellvioletten, schönen Augen. Sie war so umsichtig und so klug. Er wünschte sich so sehr, ihr vollständig vertrauen zu können.
Mir gegenüber war sie immer ehrenwert, dachte er. Sie hat niemandem gegenüber ein Wort über meine Pläne verraten, zugunsten von Adolin abzudanken. Sie hat nicht einmal versucht, meine Visionen gegen mich zu verwenden. Es war ihm peinlich, dass er das früher einmal für möglich gehalten hatte.
Navani Kholin war eine wundervolle Frau. Eine wundervolle, betörende und gefährliche Frau.
»Ich sehe weiteren Kummer«, sagte er. »Und auch weitere Gefahren.«
»Aber Dalinar, du machst Erfahrungen, von denen Gelehrte, Historikerinnen und Volkskundlerinnen nur träumen können! Ich beneide dich, auch wenn du behauptet hast, bisher keine bemerkenswerten Fabriale gesehen zu haben.«
»Die Alten kannten keine Fabriale, Navani. Dessen bin ich mir sicher.«
»Und das ändert alles, was wir bisher über sie gedacht haben. «
»Vermutlich.«
»Bei allen Steinfällen, Dalinar«, sagte sie und seufzte. »Erregt denn gar nichts mehr deine Leidenschaft?«
Dalinar holte tief Luft. »Zu vieles sogar, Navani. Mein Inneres fühlt sich wie eine Masse aus Aalen an, und die Gefühle wimmeln durcheinander. Es ist sehr beunruhigend, dass diese Visionen wahr sind.«
»Es ist sehr aufregend«, berichtigte sie ihn. »Hast du das, was du vorhin gesagt hast, ernst gemeint? Dass du mir vertraust? «
»Habe ich das gesagt?«
»Du hast gesagt, dass du deinen Schreiberinnen nicht traust, und deshalb hast du mich gebeten, die Visionen niederzuschreiben. Daraus lassen sich gewisse Rückschlüsse ziehen.«
Ihre Hand lag noch auf seinem Arm. Sie streckte die Schutzhand aus und zog damit die Tür zum Korridor zu. Beinahe hätte er sie davon abgehalten, dann aber zögerte er. Warum?
Die Tür fiel mit einem Klacken ins Schloss. Sie waren allein. Und sie war so wunderschön. Diese klugen, aufregenden Augen, die vor Leidenschaft brannten.
»Navani«, sagte Dalinar und bezwang sein Verlangen. »Du tust es schon wieder.« Warum habe ich es nicht verhindern können?
»Ja, das stimmt«, sagte sie. »Ich bin eine hartnäckige Frau, Dalinar.« In ihrer Stimme lag keine Spur von Verspieltheit.
»Das ist nicht anständig. Mein
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