Der Pfad der Winde - Sanderson, B: Pfad der Winde - The Way of Kings - The Stormlight Archive, Book 1 (Part 2)
beider Seiten mischten sich untereinander und töteten sich gegenseitig. Wie konnte jemand in diesem Wahnsinn überhaupt noch den Überblick behalten?
Amarams Armee – Kaladins Armee – versuchte den Hügelkamm zu halten. Eine andere Armee – ebenfalls Alethi – versuchte, ihn einzunehmen. Mehr wusste Kaladin nicht. Der Feind schien zahlreicher als seine eigene Armee zu sein.
Er wird in Sicherheit sein, dachte Kaladin. Bestimmt!
Aber es fiel ihm schwer, das zu glauben. Tiens Stellung als Botenjunge war ihm wieder entzogen worden. Man hatte ihm gesagt, dass es in letzter Zeit zu wenige Rekrutierungen gegeben hatte, und jede Hand, die einen Speer halten konnte, wurde gebraucht. Tien und die anderen, älteren Botenjungen waren mehreren Reserveeinheiten zugeteilt worden.
Dalar hatte gesagt, sie würden nie eingesetzt werden. Vielleicht stimmte es ja. Aber das würde sich ändern, sobald die Armee in ernster Gefahr war. Stellte es denn eine ernste Gefahr dar, auf einer Hügelf lanke eingekesselt und ins Chaos geworfen worden zu sein?
Lauf nach oben, dachte er, während er den Hang beobachtete. Amarams Banner flatterte dort noch. Die Soldaten schienen ihre Stellung zu halten. Aber Kaladin erkannte nur eine wirbelnde Masse von Männern in Orange und hin und wieder auch einige in Waldgrün.
Kaladin rannte den Hügel hoch. Er drehte sich nicht um, als ihn einige Männer anschrien, und er sah auch nicht nach, ob sie Freund oder Feind waren. Vor ihm war das Gras aufgewühlt. Er stolperte über etliche Leichen, schoss um einige zottelige Stumpfwichtbäume herum und hielt sich von den Orten fern, an denen die Männer kämpften.
Da, dachte er, als er vor sich eine Gruppe von Speermännern erkannte, die in einer Reihe standen und dem Kampf aufmerksam zusahen. Grün – das war Amarams Farbe. Kaladin taumelte auf sie zu, die Soldaten ließen ihn durch.
»Aus welcher Einheit bist du, Soldat?«, fragte ein untersetzter helläugiger Mann mit den Knoten eines niederen Hauptmanns auf den Schultern.
»Tot, Herr«, zwang Kaladin hervor. »Alle tot. Wir waren in Hellherr Taschlins Kompanie, und …«
»Pah«, meinte der Mann und wandte sich an einen Läufer. »Dritter Bericht über Taschlins Fall. Jemand muss Amaram warnen. Ostflanke wird immer schwächer.« Er sah Kaladin an. »Du, nichts wie weg zu den Reserven – zur Neueinteilung.«
»Ja, Herr«, sagte Kaladin benommen. Er warf einen Blick den Weg hinunter, auf dem er hergekommen war. Der Hang war mit Leichen übersät, viele von ihnen trugen Grün. Während er zusah, waren drei Männer, die auf den Kamm hatten laufen wollen, abgefangen und niedergemetzelt worden.
Keiner der Männer von hier oben hatte versucht, ihnen zu helfen. Kaladin hätte genauso leicht sterben können, nur wenige Ellen von der Sicherheit entfernt. Vermutlich war es strategisch wichtig, dass diese Soldaten die Stellung hielten. Aber es schien ihm so herzlos.
Such nach Tien, dachte er, als er auf das Reservefeld an der Nordseite des breiten Hügelkamms zulief. Doch dort war das Chaos eher noch größer. Gruppen von verwirrten, blutenden Männern versuchten sich zu neuen Einheiten zu sammeln und wurden wieder aufs Feld hinausgeschickt. Kaladin hastete zwischen ihnen umher und suchte nach der Einheit, die aus den Botenjungen gebildet worden war.
Zuerst entdeckte er Dalar. Der schlaksige Sergeant mit nur drei Fingern an der einen Hand stand neben einem hohen Pfosten, an dem zwei dreieckige Banner flatterten. Er stellte gerade neue Einheiten zusammen, die die unten kämpfenden Kompanien unterstützen sollten. Kaladin hörte noch immer die Schreie.
»Du«, sagte Dalar und deutete auf Kaladin. »Neueinteilung ist da hinten. Beeil dich!«
»Ich suche die Einheit, in der die Botenjungen sind«, sagte Kaladin.
»Warum in aller Verdammnis willst du das denn wissen?«
»Keine Ahnung«, sagte Kaladin, zuckte mit den Schultern und versuchte ruhig zu bleiben. »Ich befolge nur meine Befehle.«
»In Hellherr Schelers Kompanie«, brummte Dalar. »Südostseite. Du kannst …«
Kaladin war schon losgerannt. Das durfte nicht passieren. Tien musste in Sicherheit bleiben. Sturmvater! Er war erst vier Monate in der Armee!
Kaladin kämpfte sich zur Ostseite des Hügels vor und sah bald ein Banner, das in einiger Entfernung unter ihm f latterte. Das pechschwarze Glyphenpaar bedeutete Schesch Lerel – also Schelers Kompanie. Erstaunt über seine eigene Entschlossenheit hastete Kaladin an den Soldaten vorbei,
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