Der Pfad des Kriegers (German Edition)
zweihundert von ihnen versammelt.
Eine kleine Gruppe von Taisin erschien zu Pferd und wieder war es Halsim, der Naur, der zu ihnen sprach.
„Wir werden heute nach Eluel aufbrechen, der Hauptstadt der Taisin. Die Taisin geben euch Zeit bis dahin eine Antwort auf die Erscheinung zu finden. Es wird ein langer Marsch werden, teilt euch eure Kräfte gut ein.“
„Können wir ...“, begann ein junger Maegrin. Im nächsten Moment richteten mehrere Taisin ihre Bogen auf ihn.
„Sprecht nur, wenn ihr gefragt werdet.“
Nach diesem Satz wendete Halsim sein Pferd und ritt davon.
Seit Stunden waren sie unterwegs. Sie alle stolperten nur noch durch den Schnee und Thomas hatte längst aufgehört zu zählen, wie viele sie zurücklassen mussten. Vermutlich bekam er es in den meisten Fällen auch gar nicht mehr mit. Er und Barrett liefen schleppend nebeneinander her, aber sie hatten seit Stunden kein Wort mehr gewechselt. Thomas konnte nicht mehr klar denken. Immer wieder sah er seinen Vater vor sich oder seine Geschwister. Manchmal standen sie irgendwo in der verschneiten Landschaft, manchmal redeten sie nur in seinem Kopf mit ihm. Einmal hatte er zu ihnen hinlaufen wollen, doch Barrett hatte ihn zurückgehalten. Irgendwie wusste er auch, dass das alles nicht stimmte oder genauer gesagt, dass etwas nicht stimmte, denn es wurde zunehmend schwieriger zu unterscheiden zwischen wirklichem Geschehen und Traumbildern. Vermutlich wurde er einfach verrückt. Der vor ihm laufende Maegrin fiel auf einmal zu Boden. Thomas blieb stehen und war schon dabei ihn umzudrehen, entschloss sich dann aber weiter zu laufen. Er konnte ihm sowieso nicht helfen und wer wusste schon, ob er sich nicht vielleicht nur etwas ausruhen wollte. Auch Barrett schien keine Notiz zu nehmen.
„Thomas, ich bin stolz auf dich, Thomas!“
Die feste Stimme seines Vaters klang wie durch Nebel gedämpft an sein Ohr. Er schaute sich um, konnte aber niemanden entdecken.
„Wir sind alle stolz auf dich!“
Seine Mutter, seine Schwester, wie er beide vermisste.
„Ich, ich, wo seid ihr?“
„Bei dir, Thomas, bei dir!“
Eine Hand packte ihn an der Schulter und riss ihn hoch.
„Ich habe dich nicht so lange mitgeschleift, um dich sterben zu lassen!“
„Aber meine Familie!“
„Die ist nicht hier, Thomas. Ich stand vor ein paar Minuten wieder auf den Mauern von Tarena, nur kam diesmal der Entsatz nicht. Wir sind müde, durstig und laufen durch eine eisige Schneewüste. Setz' einen Schritt vor den anderen und ignoriere den Rest!“
Thomas nickte, aber Barrett ließ ihn nicht los. Erst einige hundert Meter später löste er seine Hand.
Am späten Nachmittag tauchten auf einmal die Mauern von Eluel vor ihnen auf. Sie waren gewaltig. Bestimmt ein Dutzend Meter hoch, waren sie aus einem hellen Stein errichtet, den Thomas noch nie vorher gesehen hatte. Überall auf den Zinnen standen Wachen. Trotzdem schien die Siedlung an sich recht klein zu sein. Die Häuser waren zwar prachtvoll und aus dem gleichen Stein errichtet, aber es war nicht mehr als ein halbes Dutzend. In der Mitte der Siedlung, vom Hügel deutlich zu sehen, stand ein großes Gebäude, bestimmt doppelt so hoch wie die Mauern, ohne wirkliche Fenster, dafür aber mit einem großen Tor als Eingang. Thomas wollte Barrett gerade fragen, was es sein könnte, da fing der Söldner an zu sprechen:
„Was auch immer es ist, es bedeutet nichts Gutes. Ein Volk das so große Gebäude ohne Fenster baut, gefällt mir ganz und gar nicht.“
Thomas musste grinsen, dann trieb ein Husten ihm das Lächeln aus seinem Gesicht. Nicht nur seine Wunden, nein, sein ganzer Körper schmerzte. Aber vielleicht war es in der Festung ja warm, falls sie sie reinließen. Langsam bewegte sich die Kolonne auf die Stadt zu.
Tiefrotes Blut schoss aus dem Hals des alten Kriegers. Röchelnd ließ er die Axt fallen und brach zusammen.
„Ich habe es dir gesagt, alter Mann, ich habe es dir gesagt!“
Der Krieger antwortete nicht. Seine Hände umklammerten seinen Hals und tiefe Verzweiflung sprach aus seinen Augen. Die Frau machte einen Schritt an ihm hinweg, den Speer in der Hand.
„Jetzt zu dir. Willst du dich auch der neuen Zeit in den Weg stellen, so wie mein Vater?“
Panisch schaute sich Arvid um. Außer ihm war niemand da. Nichts. Nicht einmal ein wirklicher Boden oder Himmel. Einfach nur nichts. Er konnte in alle Ewigkeit schauen und trotzdem stand er auf irgendetwas. Sie war weniger als ein Dutzend Schritte von ihm
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