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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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stieg Laerte ganz hinunter und ging an den Baracken vorbei in Richtung der breiten Straße. Verstohlen bemühte er sich, in der Menschenmenge ein vertrautes Gesicht zu finden, jemanden, den er kannte und dessen Anblick ihn vielleicht getröstet hätte.
    Schließlich verbarg er sich im Schatten einiger Fässer zwischen zwei hohen Zelten und beobachtete jeden Passanten. Fast alle bewegten sich mit gesenkten Köpfen und offenbar ohne Willenskraft vorwärts. Diese Menschen besaßen nichts mehr. Man hatte ihnen nicht nur ihr Hab und Gut genommen, sondern sie hatten auch ihre Würde verloren.
    Eines dürft ihr nie vergessen: Im Grunde ist Euer Vater für sein Volk gestorben. Sein Volk hätte er nie und nimmer verraten.
    Aber spielte der Tod seines Vaters für das Volk überhaupt eine Rolle? Sie waren auf der Straße gelandet und hatten nur ein Gut mitnehmen können, das zu verteidigen sich noch lohnte: ihr Leben.
    Niedergeschlagener denn je beschloss Laerte, in sein Zimmer zurückzukehren. Er schlängelte sich zwischen den Baracken hindurch. Dass er jetzt den Kopf senkte, hatte weniger mit seiner Befürchtung zu tun, erkannt zu werden, als vielmehr mit der Tatsache, dass er mit einem Mal die Tragweite des Kriegs begriffen hatte. Bisher waren ihm die Auswirkungen kaum bewusst gewesen.
    Plötzlich blieb er stehen und hob den Kopf. Nur wenige Schritte von ihm entfernt kauerte ein junges Mädchen zwischen zwei Zelten und kramte mit zitternden Händen in einer offenen Tasche herum.
    »Nein, nein«, stammelte sie. »Es ist nicht so, wie ihr denkt. Ich habe die Tasche gefunden und nicht etwa …«
    Ihr Kleid war staubig, die langen Locken hatte sie offenbar hastig im Nacken zusammengebunden. Trotz ihrer nachlässigen Erscheinung blieb Laerte der Mund offen stehen.
    »Laerte?«, flüsterte sie. »Laerte, bist du das?«
    Erschrocken blickte er sich um, ob auch niemand sie beobachtete, und stürzte sich dann fast auf sie. Doch anstatt sie zu küssen, presste er ihr seine Hand auf den Mund. »Grenouille«, raunte er ihr hastig zu. »Ich nenne mich jetzt Grenouille. So kennen mich die Leute hier. Verstehst du? Niemand darf etwas erfahren.«
    Sie versuchte hinter seiner Hand etwas zu antworten, doch es gelang ihr nicht. In ihren großen, blauen Augen standen Freudentränen.
    »Hast du mich verstanden, Esyld? Wenn jemand meinen Namen hört, bin ich tot.«
    Er sah sie an. Ihre Augen lächelten. Sie nickte. Langsam nahm er die Hand fort. Sie hauchte ihm einen sanften Kuss in die Handfläche. Wortlos blickten sie sich an.
    »Bist du es wirklich?«, flüsterte sie.
    Seine Finger streiften ihre Hand. Noch nie waren sie einander so nah gewesen, und doch zögerte er, sie endlich zu küssen, ihre Lippen zu kosten und sich ihnen ganz hinzugeben. Seine Unruhe war stärker als jedes Begehren.
    »Wir dachten, du wärest tot. Tagelang haben wir nach dir gesucht und …«
    »Was machst du überhaupt hier?«, fragte er knapp.
    Er glaubte ihr kein Wort. Meurnau kannte die Sümpfe wie seine Westentasche. Er hätte ihn finden müssen. War es nicht Meurnau gewesen, der den Namen Laerte von Uster so sehr aufgebläht hatte, dass alle sich dahinter wie hinter einem Schutzschild verbünden konnten? Und hatte nicht er aus Laertes Verschwinden Nutzen gezogen, indem er ihn stärker und größer darstellte, als er es je sein konnte, und ihn zum Einiger der Aufständischen erklärte?
    »Ich fliehe aus den Salinen«, antwortete sie, überrascht von seinem Ton.
    »Aber warum? Guet d’Aëd ist doch befreit, oder nicht?«
    Obwohl er sich freute, sie wiederzusehen, ertrug er es nur schwer, sie hier zu wissen. Wenn ihr nun etwas passierte …
    »Mein Vater hat sich ergeben«, vertraute sie ihm an. »Aber nicht so, wie du denkst. Er will sich in den Palast einschleichen. Meurnau hat einen Plan und viele Verbündete, um …«
    Sie brach ab. Laerte hatte sich von ihr abgewendet und beobachtete die Straße. Der Flüchtlingsstrom riss nicht ab. Altersschwache Karren auf windschiefen Rädern wurden von erschöpften Pferden gezogen, denen dicker Schaum von der Trense troff.
    »In Emeris bin ich in Sicherheit«, fügte sie hinzu, weil sie ahnte, dass er sich Sorgen machte.
    Sie trat näher an ihn heran und legte ihm ihre Hand auf die Schulter.
    »Ich bin ebenfalls auf dem Weg nach Emeris«, vertraute er ihr mit abwesender Miene an.
    »Warum? Dein Platz ist in Guet d’Aëd, Lae…«
    Er warf ihr einen warnenden Blick zu.
    »Grenouille«, verbesserte sie sich sofort.
    »Mein

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