Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Salinen«, sagte er leise.
Doch er hütete sich, seine Angst und Aufregung zu zeigen. War das Kaiserreich so groß, dass es Jahre brauchen würde, ehe sie Emeris erreichten? Instinktiv blickte er zurück in Richtung Salinen.
»He, Junge! Sieh mir in die Augen«, forderte Dun.
Als Laerte seinen Blick kreuzte, war er so verwirrt, dass ihm fast die Tränen kamen. In den Augen seines Lehrmeisters erkannte er echte Zuneigung. Warum fing er an, sich vor dem Augenblick zu fürchten, in dem Dun erfuhr, dass er eine Schlange an seiner Brust genährt hatte?
»Du bist hier zu Hause, Kleiner.«
Er trieb sein Pferd an und galoppierte los. Zu Hause? Das wäre alles andere als tröstlich.
In forschem Tempo ritten sie in Richtung Stadt. Die Bauern, denen sie begegneten, schienen sich keineswegs zu wundern. Laerte hatte befürchtet, festgehalten zu werden, weil man ihn als Bewohner der Salinen erkannte. Immerhin waren die Leute in diesem Ort dem Kaiser blind ergeben und hatten sicher Beifall geklatscht, als sie vom Tod Oratio von Usters und dem Fall der Salinen erfuhren. Warum interessierten sie sich nicht für zwei Reiter, die auf ihre Stadt zugaloppierten?
Als sie mit den letzten Sonnenstrahlen die Tore der Festung erreichten, verstand Laerte den Grund für ihre Gleichgültigkeit.
Unter den mitleidlosen Blicken der kaiserlichen Soldaten drängten sich Dutzende Karren vor den Toren der Stadt. Unter den Planen weinten Frauen und Kinder. Männer in Lumpen liefen neben den Fuhrwerken her. Es waren Flücht linge aus den Salinen, die in Garmaret Zuflucht suchten. Der Krieg hatte auch hier seine Spuren hinterlassen. Die armen Leute, die auf Rettung und Ruhe gehofft hatten, wurden gna denlos durchsucht, häufig von ihren Angehörigen getrennt und durch die geöffneten Fallgatter in die Stadt gebracht.
Laerte und Dun bahnten sich einen Weg durch die Menge, passierten die schweren Tore und ritten im Schritttempo durch Gassen, die zu Barackenlagern führten. Um einen kleinen Turm herum ging es nicht weit von einem geschlossenen Tor entfernt in eine breite Straße, die von Soldaten in dunkler Rüstung bewacht wurde.
Laerte saß hoch zu Ross und blickte bewusst nicht zu seinen Landsleuten hinunter, die hergekommen waren, um Frieden zu finden. Er wagte es nicht, Menschen in die Augen zu sehen, die ihn vielleicht wiedererkannten, und hatte Angst, zu großes Leid zu entdecken.
Als eine Schwadron an ihnen vorbeiritt, packte ihn die Angst wie mit kalter Faust. Am Fuß des Turms stiegen sie von ihren Pferden. Die Vorstellung, sich mitten in der Höhle des Löwen zu befinden, schnürte Laerte fast die Luft ab. Wohin er auch blickte, sah er nur Soldaten oder Flüchtlinge. Vor einem großen, hohen Zelt saß eine Frau und wiegte ihr Baby in den Schlaf. Gleich nebenan stritten Soldaten mit einem Mann, dessen Gesicht vor Müdigkeit wie verzerrt wirkte. Kaum nahm er die Stimme seines Meisters wahr, der seit ein paar Minuten mit einem jungen Leutnant in glänzender Rüstung sprach.
»Wer befehligt dieses Lager?«
»General Negus, Herr.«
Der junge Soldat war sauber, ordentlich gekämmt und wirkte eingeschüchtert. Dun-Cadal hingegen war von den Monaten in den Sümpfen gezeichnet: In seiner matten und verbeulten Rüstung steckte ein schmutziger, müder, zerzauster und nicht gerade angenehm riechender Mann.
»Ruf ihn heraus. Und zwar schnell.«
Der Leutnant wollte sich bereits diensteifrig umdrehen, da schnipste Dun noch einmal mit den Fingern. »Sag ihm, dass Dun-Cadal Daermon hier ist.«
Der junge Leutnant hätte beinahe die Fassung verloren. Unter dem Schlamm der Sümpfe ließen sich die Farben des Kaisers zwar noch erahnen, und jeder Soldat konnte das Dienstgradabzeichen auf den Schultern des Generals lesen, doch es war mehr als ein Jahr her, dass man General Daermon für tot erklärt hatte. Der junge Soldat nickte hastig und stapfte die Steintreppe zum Turm hinauf, ohne weitere Fragen zu stellen.
Laerte stellte fest, dass die Blicke der Soldaten immer noch nicht ihm galten. Es war Dun, der alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Die Männer tuschelten miteinander, Uniformierte blieben bei seinem Anblick stehen, und Patrouillen liefen vorüber, ohne die Augen von ihm abzuwenden.
Dun band sein Pferd an einen massiven Holzpfosten, der aus den Steinquadern ragte. Laerte tat es ihm nach.
»Benimm dich, Grenouille«, mahnte er. »Du darfst keinen schlechten Eindruck hinterlassen.«
»Ja, Sumpfschnepfe …«
»Und hör auf, mich so zu nennen«,
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