Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
sagen«, befand Dun, während er ihm zur Tür half.
Ein Soldat bekam den Auftrag, den Jungen in ein kleines Zimmer zu bringen. Zwei Dienerinnen bereiteten ihm ein heißes Bad. Am ganzen Körper zitternd, stieg er in den Zuber. Als er endlich allein war, wäre er beinahe in Tränen ausgebrochen. Seine Angst hatte ihn so fest im Griff, dass er sich wie erdrückt fühlte. Mit leerem Blick schaute er den Dampfschwaden nach, die über dem heißen Wasser aufwirbelten. Durch eine kleine Luke konnte er den fast schon finsteren Himmel sehen und die typischen Laute eines Militärlagers hören – Pferdehufe auf dem Pflaster, Schritte, das Klirren von Waffen und laute, herrische Stimmen. Und er hörte das Klagen seiner Landsleute, die sich hier in Garmaret, viele Meilen entfernt von zu Hause, unendlich verloren fühlten.
Langsam kam er wieder zu Kräften. Er stieg aus dem Bad und entdeckte saubere Kleidung, die man für ihn auf dem schmalen Bett bereitgelegt hatte. Als er sich ankleidete, genoss er die weichen Stoffe auf seiner Haut. Seine Füße waren so geschwollen, dass ihm die Lederstiefel kaum passten.
Als er sich von Kopf bis Fuß ausstaffiert hatte, legte er sich nachdenklich auf das Bett. Er hatte keine Ahnung, was aus ihm werden sollte. Wäre er in der Lage, bis zum Ende zu gehen, ohne entdeckt zu werden? Jetzt allerdings aufzugeben kam keinesfalls infrage, trotz aller Zweifel.
Er erinnerte sich seiner Rückkehr nach Guet d’Aëd nach vielen Monaten in den Sümpfen. Der General hatte neben dem Karren gelegen und mit dem Tod gerungen, während Laerte in aller Seelenruhe auf Duns Pferd in die Stadt geritten war. Einige Male hätte er sich beinahe verirrt, doch schließlich fand er den richtigen Weg. Seine Überraschung war groß, als er erfuhr, dass Meurnau nicht nur noch am Leben war, sondern obendrein die Stadt zurückerobert hatte.
O ja, er erinnerte sich seiner Freude und einer ganz neuen Hoffnung, als er sich durch die friedlichen Straßen wagte – bis er schließlich den großen Platz erreichte und begriff, dass man ihm wirklich sein ganzes Leben gestohlen hatte. Laerte von Uster lebt und streift durch die Salinen, erzählte man sich. Laerte von Uster führt den Aufstand an und hat schon wieder eine Schlacht gewonnen, berichteten andere. Laerte von Uster ist schon zwanzig Jahre alt? Er sah viel jünger aus …
Überall sprach man von ihm wie von jemandem, den er nicht kannte. Man erzählte sich die Abenteuer eines Mannes, der er nicht war. Und was er noch viel schlimmer fand: Die Leute glaubten alles unbesehen und ohne es infrage zu stellen. Vielleicht erinnerten sich alle noch an das Bild seines geliebten Vaters – aber wer wusste noch, wie er selbst aussah? Er war kaum vierzehn Jahre alt. Niemand hätte ihm geglaubt. Außerdem fürchtete er Meurnaus Reaktion, wenn der Hauptmann erfuhr, dass Laerte noch lebte. Wer weiß – vielleicht hätte der Offizier ihn gar getötet, um die Macht in den Salinen allein zu übernehmen und einem Leugnen seiner Heldentaten vorzubeugen.
Laerte schwelgte in Erinnerungen und schlief mit schwerem Herzen ein.
Vier Tage blieben sie in Garmaret und genossen die heilsame Ruhe. Jeden Tag trafen mehr Flüchtlinge ein, die sich nach einiger Zeit zu Dutzenden auf dem Weitermarsch nach Emeris machten. Garmaret war nur eine Zwischenstation. Der Kaiser hatte ein Dekret erlassen, demzufolge jeder Bewohner der Salinen Asyl in der Hauptstadt gewährt bekam.
Laerte verbrachte viel Zeit allein auf seinem Zimmer. Sein Meister grenzte ihn zunehmend aus, denn er beschäftigte sich die ganze Zeit mit dem Fortschritt des Kriegs und redete viel mit den Wachsoldaten am Tor. Wenn der Junge ihm bei seinen Unternehmungen folgen wollte, herrschte er ihn an und schickte ihn fort. Laerte begriff sehr schnell, dass seine Anwesenheit den General störte, abgesehen von den wenigen Trainingsstunden, die sie sich am Ende eines jeden Tages gönnten.
Am Morgen des vierten Tages, als die Fallgatter geöffnet waren, um wieder einen Zug Flüchtlinge aus der Stadt zu lassen, beschloss Laerte, den Turm zu verlassen. Eine freundliche Dienerin hatte ihm einen blauen Umhang besorgt. Mit tief in die Stirn gezogener Kapuze stieg er die halbe Außentreppe hinunter und beobachtete die Karren, die in einer Staubwolke unter den Spitzen des Fallgatters hindurch aus der Stadt rollten. Soldaten sicherten beide Seiten des Zugs und befahlen den armen Schluckern, sich zu beeilen.
Auf Zehenspitzen und mit gesenktem Blick
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