Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
Dame.«
»Für General Dun-Cadal sicher nicht, für Euch allerdings schon.«
»Ich muss ihn sprechen.«
»Soll ich den Oberbefehlshaber der Stadtgarde holen lassen?«
»Das lässt du schön bleiben«, meldete sich eine kratzige Stimme von der Tür. Unbemerkt hatte sich Dun von seinem Lager erhoben, stand auf der Schwelle und hielt sich am Rahmen fest, um das Gleichgewicht zu wahren. Er verzog das Gesicht und trat einen Schritt vor. Sein Kopf wollte vor Schmerzen schier zerplatzen. Immerhin hatte er fast den ganzen vorigen Tag hindurch getrunken. Er räusperte sich.
»Du wirst überhaupt nichts tun«, wiederholte er, »denn das kannst du nicht und weißt es auch. Deine Mädchen werden nämlich nicht von den Bürgern der Republik besucht, sondern von Matrosen auf der Durchreise.«
»Sei still!«, fauchte sie ihn an.
Mit einem einzigen Satz hatte der General Mildrels Bemühungen, ihn zu schützen, zunichte gemacht. Doch das spielte keine Rolle. Sie lebten beide in der Vergangenheit und empfanden die Zukunft als feindlich.
»Du brauchst gar nicht erst zu versuchen, dieser Kleinen da Angst einzujagen. Sie weiß nämlich genau, was sie will – nicht wahr?«
Mit dem letzten Satz hatte er sich an Viola gewandt, die nickte.
»Ihr habt gestern von einem gewissen Negus gesprochen«, hakte sie sofort ein. »Ist er Euer Freund?«
»Das ist er«, sagte Dun.
»Und er ist Ratsherr«, fügte Viola hinzu.
Der Blick des alten Mannes schweifte ins Leere. Seine Kehle fühlte sich so trocken an.
Negus. Auch er hatte die Ziele verraten, für die er so viele Jahre gekämpft hatte. Sein alter Freund Negus. Duns Kopf schmerzte plötzlich so stark, dass er sich unwillkürlich an die Stirn fasste.
»Er ist in Masalia angekommen.«
»Ja und?«, stöhnte er.
»Ihr müsst ihn warnen. Ich bringe Euch hin. Euch wird er vielleicht zuhören«, drängte Viola.
Zuhören? Waren sie denn nach all dieser Zeit immer noch Freunde? Sein Blick kreuzte den der jungen Frau. Sie wirkte so entschlossen! Das Leuchten in ihren Augen erinnerte ihn an den Blick seines jungen Schülers vor vielen Jahren.
»Wollt Ihr wirklich für den Rest Eures Lebens ein Gespenst bleiben?«, murmelte Viola. »Handelt doch endlich als der, der Ihr seid – als General!«
Wie schwach er doch wirkte! Seine Augen waren gerötet, die Gesichtsfarbe fahl. Viola begann zu zweifeln, ob es ihr gelingen konnte, diesen Mann aufzurütteln, der mehr tot als lebendig war. Aber sie musste es versuchen.
»Mit welchem Recht redet Ihr so …«, ereiferte sich die Kurtisane.
»Mildrel«, mahnte Dun.
Er hatte ihren Namen kaum geflüstert und warf ihr einen traurigen Blick zu. Das alles hier war kein Zufall. Weder das Auftauchen von Viola noch die Erwähnung von Eraëd oder seine plötzlich wieder lebendig gewordenen Erinnerungen. Die Hand des Kaisers. Irgendetwas sehr Mächtiges war hier am Werk. Etwas Göttliches vielleicht?
»Wartet unten auf mich«, sagte er zu Viola.
Erst als sich ihre Schritte auf der Treppe entfernten, wagte der alte Ritter ein paar zittrige Schritte vorwärts.
»Das hättest du nicht tun sollen«, fauchte Mildrel.
»Was denn? Zugeben, dass du Geschichten erfindest, um ihr Angst zu machen?« Er stützte sich auf einen kleinen Tisch und massierte sich den Nacken. »Du bist aus Emeris und vom Hofe geflohen wie wir alle. Die Republik hat uns zwar vergessen, aber wir können in ihr überleben. Die Männer, die du heute hofierst, haben keine Macht mehr, und kontrollieren kannst du nur noch mich. Aber du hast mich lange genug bemuttert, meine Schöne. Die Kleine hat recht. Sie hat sogar verdammt recht.«
Sie betrachtete ihn mit strengem Blick. Er hätte lieber etwas anderes als Vorwürfe in ihren Augen gesehen.
»Mildrel …«
»Und sie?« Mildrels Stimme bebte, aber sie lächelte. »Was unterscheidet sie von allen anderen?«
»Vielleicht braucht sie mich.«
Er ging zur Tür. Seine Schritte wirkten jetzt sicherer. Mit einer Hand auf dem Türknauf blieb er stehen.
»Es war nicht die Hand des Kaisers«, sagte Mildrel leise.
»Und wenn doch?«, gab Dun nachdenklich zurück.
»Du willst ihn rächen, nicht wahr? Dun, du bist kein …«
»… General mehr?«
Er wandte sich so heftig um, dass ihm wieder schwindelig wurde. »Was bin ich überhaupt noch für dich, Mildrel? Alter Plunder? Ein Überbleibsel?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Was dann?«, donnerte er. »Ein armseliger Säufer? Aber es stimmt, Mildrel. Ich bin ein Trunkenbold. Ich habe viel zu
Weitere Kostenlose Bücher