Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)
einen Schritt zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. »Das werden wir ja sehen«, murmelte er.
»O ja, das werden wir!«
Sie maßen sich mit Blicken. Schließlich wandte sich Dun wortlos ab.
Dank Duns ausgeklügelter Strategie hatte das Kaiserreich das Tal am Fuß des Vershan zurückerobert. Abends wurde an den Lagerfeuern gefeiert. Zwar hatte man einige Soldaten in die nahe gelegene Stadt geschickt, um dort für Ordnung zu sorgen, doch die meisten Männer durften sich die wohlverdiente Ruhe gönnen.
Dun und Azdeki gingen sich aus dem Weg. Es war offensichtlich, dass Azdeki es dem General übel nahm, dass er das Kommando in den Salinen nicht hatte behalten dürfen. Die Strafe für den Hauptmann wäre wohl noch härter ausgefallen, wenn bekannt geworden wäre, dass Azdeki seinen General wissentlich den Klauen eines Rouarg überlassen hatte, ohne ihm zu helfen. Aber niemand hatte gewagt, den Kaiser darüber zu informieren, und so herrschte zwischen den beiden Rittern erzwungenes Desinteresse. Ihr Groll hätte die Freude über die gewonnene Schlacht gestört, und dieses Mal hatte sich Azdeki auch keineswegs gedrückt.
Am nächsten Morgen schliefen die Soldaten ihren Rausch aus. Es war still im Lager. Hier und da sang ein Vogel. Grenouille lag friedlich zusammengerollt neben der Pferdekoppel, als er durch einen unsanften Tritt geweckt wurde. Mit schmerzverzerrtem Gesicht warf er sich herum. Vor ihm stand eine imposante Gestalt, deren Züge er auf den ersten Blick im Gegenlicht des Morgenrots nicht ausmachen konnte.
»Aufstehen!«
Grenouille schien ein paar Sekunden zu brauchen, ehe er Dun erkannte.
»Was ist denn …«, murmelte er und rieb sich die Augen. Er war noch sehr müde.
»Steh auf!«
Grenouille kannte seinen Lehrer offenbar inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er ihm in einem solchen Moment nicht widersprechen durfte. Resigniert und mit vor Schlaf schweren Lidern rappelte er sich auf.
Dun setzte sich mit schnellen Schritten in Bewegung. Widerwillig und frierend folgte ihm der Junge. Sie gingen zwischen den Zelten hindurch und stiegen über schlafende Soldaten hinweg. Noch immer roch es so intensiv nach Wein und Spanferkel, dass Grenouille fast übel wurde. Schließlich erreichten sie den Rand eines kleinen Wäldchens, wo die Luft frischer und würziger war.
»Meister?«
Dun schwieg beharrlich. Sie gingen in den Wald. Zweige knackten unter ihren Schritten. Vögel zwitscherten. Irgendwann blieb Dun stehen, blickte sich aber nicht zu seinem Schüler um.
»Meister …«
»Der Odem «, begann er mit dumpfer Stimme. »Was habe ich dich darüber gelehrt?«
Grenouille zögerte. Was erwartete er von ihm? Immer noch wütend darüber, dass er nicht hatte ausschlafen dürfen, fiel seine Antwort wenig überlegt aus.
»Nicht gerade viel.«
»Nicht gerade viel?«, wiederholte Dun mit verhaltenem Lachen.
Er wandte dem Jungen das Gesicht zu, wurde aber sofort wieder ernst.
»Ich will nicht wissen, was du davon hältst, sondern nur, was du darüber weißt. Also? Was habe ich dich gelehrt?«
Grenouille wich seinem Blick aus. Er war so unendlich müde. Am liebsten hätte er sich dort, wo er stand, auf den Waldboden gelegt und die Augen geschlossen.
»Alles atmet«, antwortete er schließlich.
»Wir bitte?«, fragte der General und hielt sich eine Hand hinters Ohr.
»Alles ist in Bewegung, als würde es atmen. Das ist der Odem «, leierte er herunter, als sage er eine Lektion auf.
Dun zog sein Schwert und trat einen Schritt auf Grenouille zu, der misstrauisch zurückwich.
»Das ist alles, was du behalten hast? Und du fühlst dich bereit, den Odem zu benutzen? Nun gut. Dann entwaffne mich jetzt!«
»Wie bitte?«
»Du sollst mich entwaffnen.«
Er breitete die Arme aus, als fordere er den Todesstoß. Die Reaktion seines Schülers entlockte ihm ein Lächeln. Grenouille zitterte wie Espenlaub. Lag es an der Morgenkühle oder an der Angst vor einem Duell? Im Grunde spielte es keine Rolle, denn Dun hatte etwas Bestimmtes mit seinem Schüler vor. Als Grenouille jedoch nach seinem Schwert griff, gefror Duns Lächeln.
»Ohne Schwert«, befahl er.
»Aber das geht doch nicht …«
»Du sollst mich ohne Schwert entwaffnen. Schließlich hast du behauptet, den Odem nutzen zu können. Also los – überrasch mich!«
Auch wenn man es ihm nicht ansah – innerlich jubilierte er. Der Junge wusste nicht, was er tun sollte. Er zögerte. Von der Arroganz des Vortags war nichts mehr übrig.
»Ich warte«,
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