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Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition)

Titel: Der Pfad des Zorns - Das Buch und das Schwert 1: Buch & Schwert 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoine Rouaud
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großen Fenster hinter ihr. Die Farbe des Glases verlieh der Sonne einen goldenen Schimmer.
    »Habe ich gestern zu viel gesagt?«, fragte er mit abwesendem Blick.
    »Für meine Begriffe noch längst nicht genug«, gab sie mit einem kleinen Lächeln zurück. »Aber wenn Ihr fürchtet, Ihr hättet mir verraten, wohin Ihr Eraëd gebracht habt, dann kann ich Euch beruhigen: Ihr habt das Schwert mit keinem Wort erwähnt. Ihr habt von Grenouille gesprochen. Von der Schlacht am Fuß des Vershan.«
    Er nickte nachdenklich.
    »Ihr liebt ihn, nicht wahr?«
    Dun antwortete nicht.
    »Was ist aus Grenouille geworden?«, wollte Viola wissen. »In den Geschichtsbüchern wird er nicht erwähnt, und doch scheint Ihr ihn für einen großen Ritter zu halten.«
    Sein Gesicht wurde hart. »Man muss nicht unbedingt in den Geschichtsbüchern stehen, um zu existieren, junges Fräulein«, entrüstete er sich.
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Was denn sonst? Ihr wisst doch gar nichts über ihn.«
    Dun stieß sich von der Säule ab und beugte sich über Viola, die hastig ein Stück abrückte. Sein Atem roch noch immer nach Wein.
    »Absolut nichts«, zischte er. »Ihr habt nicht die geringste Ahnung. Er war der Beste. Und der Reinste. Die Mönche hätten über ihn schreiben sollen. Er wäre der Größte gewesen, wenn … Er hätte …«
    Mit glasigem Blick richtete sich Dun auf und zerrte an seinem Gürtel
    »Das Kaiserreich würde noch existieren«, fuhr er leise fort. »Er hätte es ganz allein verteidigt. Zu meiner Zeit war er sehr bekannt. Ich nehme an, in der Republik gehört es nicht zum guten Ton, sich an diese Dinge zu erinnern. Er war berühmt und wurde respektiert. Habt Ihr je vom Drachen von Kapernevic gehört?«
    »Dem letzten roten Drachen?«
    Dun nickte.
    »Er war der größte Drache des Nordens«, sagte Viola, als zitiere sie aus einem Buch, »und hielt eine ganze Region in Atem, bis …«
    »… wir kamen«, vervollständigte er. »Die meisten Drachen sind ziemlich dumm und haben Angst vor Menschen. Man kann sie leicht übertölpeln, weil sie manchmal vor Schreck einfach vergessen, dass sie fliegen können. Aber die roten Drachen sind nicht nur groß und selten, sondern auch ausgesprochen gewalttätig. Wir waren in Kapernevic. Wir waren dabei. Auch Negus. Damals habe ich ihn zum letzten Mal gesehen.«
    Irgendwo im Gebäude knarrte eine Tür. Viola und Dun wandten die Köpfe. Vom anderen Ende des Saals kam ein kleiner, in eine weiße Toga mit grüngoldenem Überwurf gehüllter Mann auf sie zu. Er wechselte einige Worte mit den Wachsoldaten, ehe er Ausschau nach den Leuten hielt, die ihn zu sprechen wünschten.
    »Und?«, hauchte Viola.
    »Dass es in Kapernevic keinen roten Drachen mehr gibt, haben wir Grenouille zu verdanken. Ihm ganz allein.«
    Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging um eine Säule herum auf den kleinen Mann zu. Viola stand von der Bank auf. Ihre Hände waren feucht vor Aufregung.
    »Negus!«, rief Dun. Es klang nicht sehr freundschaftlich.
    »Ratsherr Negus«, korrigierte der kleine Mann.
    »Für mich bleibst du Anselme Nagole Egos, genannt Negus.«
    Die beiden Männer standen einander gegenüber. Dun war mindestens zwei Köpfe größer als der Ratsherr, aber auch sein Blick von oben herab schien den Würdenträger nicht zu beeindrucken. Arrogant sah er dem General ins Gesicht.
    Kapernevic. Dort habe ich ihn das letzte Mal gesehen.
    »Es ist sehr lange her«, stellte der Ratsherr fest, ohne auch nur die mindeste Regung zu zeigen. »Mein alter Freund …«
    Sie standen da und blickten einander schweigend an, doch nach einer Weile entspannten sich ihre Gesichter. Schließlich lächelten beide.
    Kapernevic.
    »Viel zu lang«, murmelte Negus und streckte die Hand aus.
    Dun schlug ein.
    Kapernevic …

    … eine Hand mit geröteten Fingern; nur dickes Blut konnte der beißenden Kälte seiner Region standhalten.
    Er schob einen Ast beiseite, um die vor ihm liegende Landschaft besser sehen zu können – ein von Kiefern gesäumtes Tal, durch das ein eisiger Fluss strömte. An seinem Ufer lag das Dorf Kapernevic mit den strohgedeckten Hütten und Wachtürmen aus Holz. Als er den Ast wieder losließ, schnellte er mit einem Geräusch zurück, das wie ein Peitschenschlag klang. Schnee sprühte auf und knirschte unter seinen Schritten. Der Junge hinter ihm störte sich nicht daran.
    »Bist du so weit?«, rief Dun.
    In der Nähe der an einer Tanne festgebundenen Pferde wiegte sich Grenouille vor und zurück,

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