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Der pfeifende Mörder

Der pfeifende Mörder

Titel: Der pfeifende Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tage lang passierte nichts mehr in Leeuwarden und Umgebung.
    Hatte sich der Sturm gelegt?
    Es schien so.
    Der Mörder blieb plötzlich untätig.
    Warum? Etwa deshalb, weil ihm – Jan Sehlke? Peer van Hoest? – die Polizei im Nacken saß? Oder etwa gar deshalb, weil er – ein ehemaliger Bibliothekar – sich schon in Untersuchungshaft befand? Die Presse fing bereits an, sich neuen Sensationen zuzuwenden. Der Polizeiapparat selbst freilich hörte nicht auf, sein Räderwerk in Gang zu halten.
    Die Verhöre mit Peer van Hoest und Jan Sehlke ergaben nichts Belastendes. Zu dem Geschäft zwischen dem Fischer und der Firma Termath war es auf ganz natürliche Weise gekommen. Jan Sehlke hatte an einem freien Nachmittag jene Stelle der Küste besichtigt, an der man seine stille Liebe Ruth Kappel aus dem Meer gefischt hatte. Er war dabei auf den in der Nähe vor seinem Häuschen Netze flickenden Peer van Hoest gestoßen, der ihm sein Leid geklagt hatte, daß die Leute nichts mehr von seinen Fischen wissen wollten. Daraufhin hatte sich Sehlke erboten, mit seinem Chef zu sprechen, und so war der Handel entstanden, für den Peer so dankbar sein mußte.
    Dies alles war der Polizei längst bekannt, aber dann kam noch etwas Entscheidendes hinzu: Jan Sehlke besaß ein Alibi. Er hockte zur Zeit des Mordes an Ruth Kappel in einem Lokal beim Skat. Sechs Männer, vom Wirt und der Bedienung abgesehen, konnten es beeiden.
    Und hinsichtlich des Fischers verbot sich eigentlich bald jeder weitere Verdacht von selbst. Es meldeten sich nämlich zwei hübsche Mädchen, die vor Jahresfrist ertrunken wären, wenn sie Peer van Hoest nicht unter größter Gefahr für sein eigenes Leben gerettet hätte. Das Höchste war, daß er den beiden verboten hatte, über die Sache ein Wort zu verlieren. Er wolle keinen Rummel, hatte er erklärt.
    »Wilm«, sagte Leerdam zu Schouwen, »einer, der Mädchen ermordet, ist auf der anderen Seite nicht dazu bereit, sein Leben für sie zu opfern. Das paßt nicht zusammen. Ich werde den um Entschuldigung bitten. Und wissen Sie, was?«
    »Ja?«
    »Sie auch.«
    »Ich auch? Wieso ich auch?«
    »Weil Sie den genauso verdächtigt haben wie ich.«
    »Das ist nicht wahr, Chef«, widersprach Schouwen energisch.
    »Schouwen!«
    »Ja?«
    »Sie behaupten, daß ich lüge?«
    »Nein, Chef.«
    »Was dann?«
    »Daß Sie sich nicht mehr richtig daran erinnern können.«
    »Schouwen!!«
    »Ja?«
    »Sie wollen behaupten, daß ich schon an Verkalkung leide?«
    »Chef, Sie –«
    »Wollen Sie das wirklich behaupten?«
    »Nein, Chef.«
    »Na also; ich wundere mich, wie mißverständlich Sie sich manchmal ausdrücken können.«
    »Ich bitte um Entschuldigung, Chef.«
    »Nicht nötig, Wilm. Bitten Sie darum, wie gesagt, den Fischer van Hoest, das genügt mir.«
    Kommissär Leerdam hatte es aufgegeben, sich über Mißerfolge zu ärgern. Ein Trost war es ihm, daß auch die Spezialisten aus Amsterdam und Den Haag nicht weiterkamen. Mit viel Arroganz in ihren Mienen waren sie in Leeuwarden erschienen, mit wachsender Bescheidenheit traten sie inzwischen auf. Was sie ausgruben, waren fast immer nur Dinge, die Leerdam und Schouwen schon nach den ersten drei Tagen aktenkundig gemacht hatten.
    Man konnte sich erlauben, in etwa das Aussehen des Mörders zu rekonstruieren – weniger sein Aussehen, als seine Art. Man kannte seine Arbeitsweise, wußte von dem Lied, mit dem er bei Nebel pfeifend seine Opfer in den Tod gelockt hatte. Und man war sicher, daß es sich um einen Psychopathen handeln mußte, um einen Geisteskranken, der mordete um des Mordens willen und sich an seiner Tat berauschte wie der deutsche Massenmörder Pleil, der hinter Gittern seine Memoiren schrieb und sie betitelte: MEIN KAMPF von Rudolf Pleil, Totmacher a.D.
    Großrazzien in allen Herbergen, Gasthäusern, Scheunen, in sämtlichen Absteigen Hollands nach dem Unbekannten, der seine blutbefleckte Jacke gegen die Schnapsflaschen des Hausierers und Landstreichers Wilhelm Heyst eingetauscht hatte, blieben immer noch ergebnislos. War er nur ein Phantom, eine Erfindung Heysts? Oder gab es ihn wirklich? War er nur spurlos verschwunden? Hatte ihn der Nebel verschluckt? Wann würden diese Fragen beantwortet werden?
    Es blieb, wenn man so sagen will, still. Die Aufschreie des Entsetzens, die durch ganz Holland gegangen waren, verklangen. Aber gerade weil es so still blieb, empfand Kommissär Leerdam dies als Bedrohung.
    Der Mörder nahm sich Zeit. Das war zwar bisher nicht seine Art

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