Der pfeifende Mörder
abzuwaschendes Haarfärbemittel gibt …«
»Richtig«, nickte der Kommissär. »Und zweitens?«
»Welche Friseure oder Drogisten in Leeuwarden und Umgebung dieses Mittel führen?«
»Und drittens?«
»Wer es in letzter Zeit wo erworben hat.«
»Genau.«
Eine neue Aufgabe hatte sich also gestellt. Beamte schwärmten aus und – kehrten mit leeren Händen wieder.
Ein weiterer Schlag ins Wasser mußte verzeichnet werden. Bei keinem Friseur, keinem Drogisten war ein solches Haarfärbemittel verlangt worden. Kommissär Leerdam erkannte, daß das, worin er steckte, die alte Sackgasse war.
Ein Zufall kam ihm zu Hilfe.
Es sind oft Zufälle, die Dinge, welche aussichtlos erscheinen, wieder ins Rollen bringen, Zufälle, so unglaublich, daß man sich fragt, ob nicht doch eine höhere Gerechtigkeit ihre Hand mit im Spiel hat und die Karten erneut so mischt, daß einige Trümpfe obenauf liegen.
Der Zufall hieß Heiner und tauchte an einem frühen Morgen in Workum auf.
Workum ist ein kleiner Hafen am Ausgang der Ijsselsee. In Workum werden die kleinen Frachter beladen, die durch das Wattenmeer rutschen und die holländische Küste entlangfahren. Ein an sich unbedeutender Hafen, der plötzlich durch den Kranführer Heiner für wenige Tage in den Blickfang der Öffentlichkeit rückte.
Im Brackwasser des kleinen Hafens Workum fand Heiner einen Herrenanzug. Einen grauen, reinwollenen, teuren Herrenanzug – keinen von der Stange also. Seine ganze Vorderseite war mit Blut besudelt.
Leerdam fuhr mit zwei Kollegen von der Sonderkommission sofort hinaus zur Küste. Wilm Schouwen hatte an diesem Vormittag dienstfrei und schlief zu Hause.
»Das haben Sie gut gemacht«, sagte Leerdam zu dem Kranführer Heiner. »Es war richtig, sofort die Polizei zu verständigen.«
Heiner grinste und sprach von der ausgesetzten Belohnung, bei der man ihn nicht vergessen dürfe, wenn sein Fund zur Ergreifung des Frauenmörders beitrüge.
Er brachte also ganz selbstverständlich den blutigen Anzug in Zusammenhang mit der Bestie, die seit Wochen Mädchen den Kopf abhackte. Und einen anderen Zusammenhang hätte es in jenen Tagen für ganz Holland nicht gegeben.
Der Anzug erwies sich als eine gute Schneiderarbeit. Die Knopflöcher und die Revers waren mit der Hand genäht, zur Innenverarbeitung war bestes Steifleinen und Roßhaar verwendet worden. Zwar hatte der Besitzer das Schneideretikett herausgetrennt, aber Leerdam frohlockte dennoch. Ein Maßanzug … seine Herkunft mußte sich auch in Leeuwarden feststellen lassen. Jeder Schneider hatte Besonderheiten in seiner Arbeit, jeder Anzug trug irgendwie seine Handschrift. Fand man also den Schneider, hatte man auch den Kunden am Wickel. Und dieser Kunde … nein, mußte nicht unbedingt … konnte aber der Mörder sein. Sehr wahrscheinlich sogar.
Die drei Polizeibeamten grinsten einander an. Endlich ein Lichtblick, ein ziemlicher heller sogar!
»Meine Herren«, sagte Leerdam zu den zwei anderen, »Workum liegt nördlich von Stavoren. Die Strömung geht aus der Ijsselsee nach Norden ins Meer. Stavoren aber ist die Endstation einer Eisenbahnfähre von Enkhuizen über die Ijsselsee. Nördlich von Enkhuizen, nur wenige Kilometer entfernt, liegt Medemblick, der Wohnort vom Opfer Nr. 3 – Maria Steufels.« Leerdams Miene wurde grimmig, als er in seinen Erläuterungen fortfuhr: »Von Ihnen, meine Herren, kommt einer aus Amsterdam, der andere aus Den Haag. Sie sind also beide hier nicht so ortskundig wie ich. Ich behaupte, daß der Mörder Maria Steufels schon außerhalb von Medemblick getötet hat und sie dann auf eine uns noch unbekannte Weise mit auf die Eisenbahnfähre brachte. In Stavoren stieg er an Land und warf seinen blutbefleckten Anzug, den er schon vor dem Betreten der Fähre gewechselt hatte, ins Meer. Er vertraute darauf, daß der Strom aus der Ijsselsee den Anzug ins weite Meer hinaustreiben würde. Statt dessen aber wurde der Anzug in Workum angeschwemmt, während der Mörder die Leiche – bedenken Sie, welche Nerven diese Bestie hat! – mitschleppte bis Ferwerd, um sie dort an die Küste zu legen, wo der Fischer van Hoest sie fand. Wie er diesen unglaublichen Transport durchführte, ist mir rätselhaft, aber wir werden ihn fragen. Jedenfalls wollte er damit seinen Weg verschleiern und uns glauben lassen, daß er auch Maria Steufels an der Küste umbrachte, und zwar, wie die Kappel, ebenfalls bei Ferwerd. Wir haben das bis heute auch angenommen … und hätten es weiterhin
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