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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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entsetzlich.«
    »Mein – mein Freund würde ihr gewiss helfen, wenn er könnte.«
    »Sofern sie noch am Leben ist.« Seckford verstummte, musste seine Gedanken sammeln. »William Fettiplace, Ellens Vater, war ein guter Mann. Er holte wenig Gewinn aus jenem Eisenwerk, dennoch zeigte er Erbarmen, spendete den Armen und der Kirche Geld. Seine Frau Elizabeth ist jung verstorben. Und Ellen liebte er abgöttisch. Vielleicht verwöhnte er sie zu sehr, denn sie hatte ihren eigenen Willen. Trotzdem war sie freundlich und mildtätig. Sie liebte die Kirche, brachte stets Blumen für den Altar; zuweilen auch für mich, um diesen ärmlichen Ort hier zu verschönern.« Sein Blick wurde leer, dann fuhr er fort: »Der Brand liegt jetzt neunzehn Jahre zurück.«
    »Wilf sprach vom August des Jahres 1526.«
    »O ja. Im Jahr darauf verdarb die Ernte der großen Dürre wegen, damals musste ich viele meiner Pfarrkinder zu Grabe tragen.« Seine Augen wanderten wieder zum Fenster. Ich wandte den Kopf, sah aber nur einen kleinen Garten mit einem Kirschbaum darin.
    »Der Tag war kalt, der Himmel wolkenverhangen wie so oft in jenem Sommer. Ich war hier. Es wurde allmählich dunkel, ich weiß noch, dass ich mir eben eine Kerze angezündet hatte, als jemand wild gegen die Tür hämmerte. Ich dachte, eines meiner Pfarrkinder bedürfe der Letzten Ölung, dabei war es die arme Ellen, die hereingestolpert kam. Barhäuptig, die Haare wild zerzaust, das Kleid zerrissen und voller Grasflecken. Sie war offenbar auf dem Weg von der Eisenhütte im Dunkeln gestürzt.«
    Ich machte mir insgeheim einen anderen Reim auf ihren Zustand.
    »Ich brachte kein vernünftiges Wort aus ihr heraus. Sie blickte mich aus stieren Augen an, rang keuchend nach Luft, konnte aber nicht sprechen. Schließlich rief sie: Es brennt, es brennt im Eisenwerk. Ich lief hinaus und schrie um Hilfe, und bald schon war ganz Rolfswood auf den Beinen. Ich blieb bei Ellen.« Die Leute erzählten hinterher, dass bereits die gesamte Anlage in Flammen stand, als sie dort ankamen. Von Master Fettiplace und seinem Gehilfen Peter Gratwyck fand man lediglich ein paar verkohlte Knochen. Gott hab sie selig.«
    »Wilf sagte, Ellen sei danach zu Euch gezogen?«
    »Jawohl.« Er reckte das Kinn. »Doch es war nichts Unschickliches dabei, ich konnte die Gevatterin Wright, eine der Fettiplace-Mägde, überreden, hier bei ihr zu bleiben.«
    »Wie lange wohnte sie bei Euch?«
    »Fast zwei Monate. Sie hat sich nie erholt. Zunächst wollte sie kaum sprechen, schon gar nicht über die Vorfälle in jener Nacht. Wenn wir sie fragten, hob sie an zu weinen oder gar zu brüllen. Wir waren beunruhigt. Wenn jemand an meine Tür klopfte, fuhr sie zusammen oder rannte gar schreiend auf ihr Zimmer. Nach einer Weile fand sie sich bereit, zumindest über alltägliche Dinge zu sprechen, das Wetter und Ähnliches, aber nur mit mir oder der Gevatterin Wright. Und sie tat keinen Schritt vor die Tür, schüttelte nur wild den Kopf, wenn ich es ihr vorschlug. Sie wollte niemanden sehen. Nicht einmal den jungen Mann, dem sie angeblich versprochen war, Master Philip West, obschon er mehrmals hierherkam. Es stand ihm auf der Stirn geschrieben, wie beunruhigt er war. Ich hatte den Eindruck, dass er sie liebte.«
    »Er heuerte auf einem der königlichen Schiffe an, sagte Gevatter Harrydance.«
    »Ja, schon recht bald. Sie hatte ihm das Herz gebrochen. Philip West, müsst Ihr wissen, wollte angeblich um Ellens Hand anhalten. Seine Familie hatte für ihn eine Stellung bei Hofe erwirkt, und so hielt er sich oft in London auf, doch in jenem Sommer weilte der König mit seinem Gefolge in Sussex, und so war Master West für einen Tag hierhergeritten, um Ellen seine Aufwartung zu machen.« Seckford schüttelte traurig den Kopf. »Master Fettiplace hätte es gern gesehen, wenn die beiden geheiratet hätten, denn er entstammt einer wohlhabenden Familie mit Grundbesitz. Und Master West war ein gutaussehender junger Mann.«
    »Lebt die Familie West noch hier?«
    »Philips Vater starb vor einigen Jahren. Seine Mutter, Mistress Beatrice West, verwaltet seither sein Land. Er besitzt viel hier in der Gegend, überlässt die Verwaltung jedoch ganz der Mutter, kommt nur her, wenn er Landurlaub hat. Sie ist eine – furchteinflößende Dame, lebt in einem großen Haus außerhalb des Ortes. Im vergangenen Monat, als sein Schiff in Portsmouth vor Anker ging, war Philip hier.« Er blickte mich an. »Wie ich höre, sammelt sich dort die gesamte

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