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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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auf den Tisch. »Fall abgeschlossen, rote Schleife drumherum, und ab damit zu den Akten!«
    »Ihr zweifelt an Ellens Aussage?«
    Er sah mich scharf an. »Ich vermute, dass Master Priddis sich Ellens Stellungnahme zusammenreimte, eine Ereigniskette daraus wob, die wahrscheinlich klang und die Ellen unterschrieb, um ihn los zu sein. Wie schon gesagt, sie war durchtrieben geworden. Geisteskranke, heißt es, könnten diese Eigenschaft entwickeln. Sie wollte nichts als ihren Frieden.«
    »Und was ist dann tatsächlich geschehen?«
    Er blickte mich an. »Ich habe keine Ahnung. Doch wenn der Brand erst entstanden war, verstehe ich nicht, warum nicht wenigstens Master Fettiplace entkommen konnte.«
    »Hatte er denn – Feinde?«
    »Nicht einen. Niemand wollte ihm etwas Böses.«
    »Wie kommt’s, dass Ellen Euch verließ?«
    Der Geistliche lehnte sich zurück. »O weh Sir, das Schlimmste kommt noch.«
    »Es tut mir leid, ich wollte Euch nicht zu nahetreten.«
    »Nein, nein, jetzt sollt Ihr auch das Ende hören.« Seckford stand auf, nahm meinen Becher, schlurfte zum Schrank und goss uns beiden Bier nach.
    »Die Gevatterin und ich wussten uns keinen Rat mehr mit Ellen. Sie hatte keine Verwandten, hatte das Haus ihres Vaters hier in Rolfswood geerbt, dazu ein kleines Stück Land und die ausgebrannte Eisenhütte. Ich gedachte sie so lange hierzubehalten, bis sie sich erholen und imstande sein werde, sich um ihre Belange zu kümmern. Doch Quintin Priddis nahm auch diese Sache in die Hand. Nicht lange nach dem Urteil war er wieder da. Er saß, wo Ihr jetzt sitzt, und sagte, es zieme sich nicht, dass Ellen hier in meinem Haus blieb. Er drohte, die Angelegenheit meinem Pfarrer zu verraten, und ich wusste, dass dieser mir befehlen würde, sie vor die Tür zu setzen.« Seckford leerte seinen Becher.
    Ich beugte mich vor. »Gevatter Harrydance meinte, man habe sie zu Verwandten nach London gebracht.«
    Ich sah, wie die Hand zitterte, die den leeren Becher hielt. »Ich fragte Master Priddis, was aus ihr werden solle. Er meinte, er habe Verwandte in London gefunden und werde dafür sorgen, dass man sie zu ihnen bringe.« Er runzelte die Stirn, und auf einmal maß er mich forschend. »Jener Freund von Euch kennt sie nicht?«
    »Er weiß von alledem nichts.« Ich belog den Alten ungern und erkannte, wie schwer es war, den Pfad der Lüge, hatte man ihn erst einmal betreten, wieder zu verlassen. Doch Seckford schien meine Antwort zu akzeptieren.
    Er sagte: »Vermutlich war es Mistress West, die Priddis auftrug, nach Verwandten zu suchen, gegen ein gewisses Entgelt, versteht sich. Wenn nichts für ihn herausgesprungen wäre, hätte er keinen Finger gerührt.«
    Aber für denjenigen, der sie im Bedlam unterbrachte, sprang definitiv kein Gewinn heraus, sondern regelmäßige Zahlungen. Wer sie aus dem Verkehr zog, tat dies zweifellos der eigenen Sicherheit wegen. War es Mistress West, die ihren Sohn schützen wollte?
    »Er hat mich aufs Übelste hintergangen, dieser Priddis.« Seckford sprach leise. »Jane Wright, wisst Ihr, sie hatte keinen Lohn erhalten seit dem Brand. So wenig wie die übrigen Bediensteten im Haus von Master Fettiplace. Wer hätte sie auch bezahlen sollen? Priddis sagte ihr, dass alles ins Lot käme, sobald Ellen bei ihren Verwandten untergebrächt sei; man könne Master Fettiplaces Haus verkaufen und den Mägden und Knechten den geschuldeten Lohn zahlen. Obendrein versprach er Jane, beim Käufer des Hauses ein gutes Wort für sie einzulegen, damit sie bleiben dürfe. Mit diesem Argument brachte er sie auf seine Seite. Ich kann es ihr nicht verübeln, sie hatte kein Einkommen, wir lebten alle drei von meinem kärglichen Gehalt.«
    »Habt Ihr Priddis gefragt, was für Leute diese Verwandten sind?«, fragte ich sanft.
    »Er wollte es mir nicht sagen. Ich erfuhr nur, dass sie in London lebten und sich der armen Ellen annehmen wollten. Mehr brauchte ich nicht zu wissen, sagte er.« Der Geistliche beugte sich zu mir nach vorn. »Sir, ich bin nur ein armer Kurat. Wie sollte ich mich gegen Priddis zur Wehr setzen, der über Einfluss und Macht verfügt und in dessen Brust ein Herz aus Stein sitzt?«
    »Eure Lage war aussichtslos.«
    »Und doch hätte ich mehr tun können. Ich war schon immer zu schwach.« Er ließ den Kopf hängen. »Eine Woche später kam eine Kutsche vorgefahren, eine dieser Kisten auf Rädern, wie die Reichen sie benutzen. Priddis hatte mir angekündigt, es kämen Leute, die Ellen nach London bringen würden.

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