Der Pfeil der Rache
angeht, Sir, so habe ich bis heute nicht begriffen, warum Master Fettiplace darin umkam. Aber man hat mich nicht aufgerufen. Master Quintin Priddis peitschte damals das Verfahren durch.«
Ich merkte auf. »Priddis?«
Wilfs Augen wurden schmal. »Ihr kennt ihn?«
»Nur dem Namen nach. Er steht dem Vormundschaftsgericht in Hampshire vor.«
»Damals war er der zuständige Untersuchungsrichter.«
»Sagte Mistress Fettiplace, wie es dazu kommen konnte, dass weder ihr Vater noch Euer Freund den Flammen entkommen konnte?«
»Peters Rock habe Feuer gefangen, gab sie an, und irgendwie seien die Flammen auf Master Fettiplaces Kleider übergesprungen. Das waren ihre Worte, und sie war die einzige Zeugin. Die Eisenhütte war abgebrannt, und von Peter und Master Fettiplace nichts weiter geblieben als ein paar Knochen. Seid Ihr sicher, dass Ihr Quintin Priddis nicht kennt?« Sein Blick war jetzt ängstlich.
»Ich bin ihm nie begegnet.«
»Ich muss gehen«, sagte der Alte plötzlich. »Mein Weib erwartet mich. Wie lange bleibt Ihr in Rolfswood?«
»Ich reite morgen früh weiter.«
Er wirkte erleichtert. »Dann wünsche ich Euch eine sichere Reise. Danke für das Bier. Komm, Caesar.«
Er wandte sich zum Gehen, und der Hund folgte ihm. An der Tür hielt er inne, drehte sich zu mir um und sagte: »Sprecht mit Pfarrer Seckford. Viele hier im Dorf glauben, dass damals einiges vertuscht wurde. Mehr will ich nicht sagen.«
kapitel zweiundzwanzig
I ch schlenderte gemächlich den Hügel hinauf zur Kirche. Ich war über und über mit Staub bedeckt, meine Beine steif und wund, und hätte mir liebend gern eine Rast gegönnt. Doch blieb mir nicht viel Zeit. Ich überlegte, was Wilf mir erzählt hatte. Er hatte die offizielle Version dessen, was in der Gießerei geschehen war, nicht recht glauben wollen, wusste aber nichts von einer Vergewaltigung. Ich entsann mich der Worte Ellens, die sie an jenem entsetzlichen Tag ausgestoßen hatte, an dem sie die Beherrschung verlor: »Sie waren zu kräftig! Ich konnte mich nicht bewegen.«
Die Kirche war klein, ein gedrungenes normannisches Bauwerk. Im Innern war wenig verändert seit päpstlicher Zeit; Heiligenstatuen standen noch an ihrem Platz, Kerzen brannten vor dem Hauptaltar. Pfarrer Broughton würde nichts davon gutheißen, dachte ich. Eine ältere Frau tauschte einige heruntergebrannte Kerzen aus. Ich trat auf sie zu.
»Ich suche Pfarrer Seckford.«
»Er wird im Pfarrhaus sein, Sir, gleich nebenan.«
Ich begab mich zum Nebengebäude. Es war ein ärmliches Häuschen, aus Lehm gebaut, von dem die alte Farbe abblätterte. Doch Seckford war auch nur Kurat, dem Priester untergeordnet, der für mehrere Gemeinden die Verantwortung trug. Ich hatte Gewissensbisse bei dem Gedanken, dass ich im Begriff war, ihn anzulügen, wie zuvor schon Wilf. Aber ich wollte niemanden wissen lassen, wo Ellen sich befand.
Ich klopfte an die Tür. Es näherten sich schlurfende Schritte, und ein kleiner Mann um die fünfzig öffnete mir; er trug einen Chorrock, der dringend einer Wäsche bedurfte. Er war ungemein beleibt, ebenso breit wie lang, die runden Wangen voller grauer Stoppeln. Er blickte mich aus wässrigen Augen an.
»Pfarrer Seckford?«, fragte ich.
»Ja«, antwortete er sanft.
»Darf ich Euch sprechen? Wegen einer Freundlichkeit, die Ihr vor vielen Jahren einer Frau namens Ellen Fettiplace erwiesen habt. Wilf Harrydance gab mir den Rat, mich an Euch zu wenden.«
Er maß mich aufmerksam und nickte dann. »Kommt herein, Sir.«
Ich folgte ihm in eine schäbige Stube. Er bat mich, auf einer hölzernen Sitzbank Platz zu nehmen, über die ein verstaubtes Tuch geworfen war. Er setzte sich auf den Stuhl gegenüber, der knarzte unter seinem Gewicht, und blickte mich erwartungsvoll an. »Ihr kommt von weit her, wie mich dünkt, Sir.«
»Ja. Ich muss mich für den verstaubten Zustand entschuldigen.« Ich holte tief Luft und wiederholte die Geschichte, die ich Wilf erzählt hatte, von einem Freund, der nach seiner Fettiplace-Verwandtschaft forschte. Seckford lauschte aufmerksam, obschon sein Blick zuweilen zum offenen Fenster hinter mir wanderte und zu dem großen Krug auf dem Schrank, in dem einige verblichene Silberteller ausgestellt waren. Als ich zu Ende gesprochen hatte, starrte er mich an, das Gesicht war von großer Trauer erfüllt.
»Vergebt mir«, sagte er leise, »doch ich hoffe, dass Euer Mandant nicht nur von eitler Neugier getrieben wird. Ellens Geschichte ist so traurig wie
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