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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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königliche Flotte, und der König selbst soll auf dem Wege sein, sie zu inspizieren.« Der Geistliche schüttelte bekümmert das Haupt. »Was für schreckliche Zeiten.«
    »In der Tat, Sir.«
    »Ich habe Philip West die Hauptstraße entlangreiten sehen. Er ist noch immer ein stattlicher Mann, wenn auch in mittleren Jahren und mit strenger Miene.« Seckford stand unvermittelt auf. »Vergebt mir, Sir. Ich habe mich dazu durchgerungen, erst Starkbier zu trinken, wenn der Kirschbaum seinen Schatten auf das Tor wirft. Doch die Erinnerung an –« Er trat an den Schrank und holte zwei Zinnbecher herunter. »Trinkt Ihr einen Becher mit mir, Sir?«
    »Vielen Dank.«
    Er goss Bier in die Becher, leerte den seinen in wenigen Schlucken, seufzte tief und füllte ihn erneut, ehe er den zweiten an mich weiterreichte und sich wieder hinsetzte.
    »Mit der Trinkerei fing ich an, nachdem sie Ellen fortgeschafft hatten. Allzu grausam dünkte mich ihr Los. Dabei muss ich predigen, dass Gott barmherzig ist.« Ein Ausdruck tiefer Traurigkeit trat in sein Gesicht.
    »Und Ellen war die einzige Augenzeugin damals?«, fragte ich leise.
    Seckford runzelte die Stirn. »Ja, und der Coroner versuchte beharrlich, ihr die Geschichte zu entlocken.« Seine Stimme nahm einen rauen Ton an. »Mistress West wollte die Angelegenheit aus der Welt schaffen, damit ihr Sohn nicht ständig daran erinnert wäre. Denn im Dorf wurde von nichts anderem gesprochen. Die Familie West konnte Einfluss nehmen auf Priddis’ berufliches Fortkommen. Und Letzterer war ein ehrgeiziger Mensch«, schloss er bitter.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Er ist jetzt Sir Quintin, Lehnsrichter von Hampshire. Ein einflussreicher Posten.«
    »Das habe ich auch gehört. Priddis’ Vater war nur ein freier Bauer, der aber ehrgeizige Pläne hatte für den Sohn und ihn an einer Rechtsschule studieren ließ.« Der Kurat leerte den Becher. »Ehrgeiz, Sir, ist ein Fluch. Er macht die Menschen kalt und hart. Sie sollten dem Stande treu bleiben, für den Gott sie bestimmt hat.« Er seufzte. »Vielleicht seid Ihr ja anderer Ansicht.«
    »Auch ich meine, dass der Ehrgeiz die Menschen hart machen kann.«
    »Priddis war erpicht darauf, gesellschaftlich aufzusteigen. Ein umtriebiger kleiner Bursche. Einen Tag nach dem Brand kam er her, verlangte Ellen zu sehen und wollte sie zu einer Stellungnahme bewegen. Aber wie gesagt, sie ließ keinen an sich heran. Master Priddis musste die Verhandlung zur Feststellung der Todesursache bei Master Fettiplace und Peter mehrmals vertagen. Natürlich wurmte es ihn, dass seine Macht von einer Jungfer untergraben wurde. Er hatte kein Verständnis für Ellens Gemütszustand.«
    »Nun, er musste herausfinden, was vorgefallen war. Es war seine Pflicht.«
    »Der Lump erhielt seine Stellungnahme schließlich auch. Ich will Euch sagen, wie.« Seckford genehmigte sich einen tüchtigen Schluck Bier. Im Unterschied zu Wilf hatte er mir gegenüber keinerlei Argwohn bekundet, und da wurde mir bewusst, dass etwas Weltfremdes an ihm war.
    »Nach einigen Wochen ging es Ellen, wie gesagt, etwas besser, aber sie wollte trotzdem nicht sagen, was geschehen war, und sie wollte auch das Haus nicht verlassen, nicht einmal, um nebenan in die Kirche zu gehen. Sie erfand immerzu Ausreden, wurde – durchtrieben. Ellen Fettiplace, die zuvor so aufrichtig und offen gewesen war. Es machte mich traurig. Schließlich erklärte sie sich bereit, mit Priddis zu sprechen, damit er sie in Ruhe ließ. Sie wollte hier in diesem Haus bleiben, mit Jane Wright und mir. Mehr wünschte sie sich nicht.«
    »Wart Ihr im Haus, als er sie aufsuchte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Priddis bestand darauf, dass außer der Gevatterin Wright nur er anwesend sein dürfe. Sie gingen in meine Küche und kamen eine Stunde später wieder heraus. Priddis wirkte mit sich zufrieden. Tags darauf sandte er Ellen eine schriftliche Stellungnahme, und sie unterzeichnete. Darin gab sie an, ihr Vater und sie hätten an jenem Abend noch einen Spaziergang zum Eisenwerk unternommen, weil er die Kohlelieferung habe prüfen wollen. Sie hätten Peter so betrunken vorgefunden, dass er in ein Feuer fiel, welches er entfacht habe, um sich daran zu wärmen. Seine Kleider hätten Feuer gefangen, dessen Flammen auch William Fettiplace erfasst. Priddis verlas Ellens Stellungnahme vor Gericht, ohne ihre Gegenwart zu fordern, aus Rücksicht auf ihren Gemütszustand. Man entschied auf Tod durch Unfall.« Seckford schlug ärgerlich mit der Faust

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