Der Pfeil der Rache
ihn ja nicht über Ellens Herkunft auszufragen.«
»Er muss doch ihre Akten haben.« Ich wies auf das Schreibpult. »Vielleicht hier drin.«
»Es ist abgesperrt, und ich werde nicht derjenige sein, der das Schloss aufbricht.«
Ich musste irgendwie aus diesem Schlamassel herauskommen. »Wie viel, Hob?«, fragte ich. »Nenne deinen Preis.«
»Könnt Ihr mir zahlen, was es kosten würde, mich für den Rest meines Lebens zu erhalten?«, fragte er aufbrausend, das Gesicht rot vor Zorn. »Denn wenn ich Ellens Geheimnis herausfände und es Euch erzählte, fiele es doch gewiss auf mich zurück. Shawms hält die Wahrheit unter Verschluss, und dies bedeutet, er hat Weisung von höherer Stelle. Warden Metwys. Ich stünde auf der Straße. Ich will nicht das Dach über dem Kopf und eine Aufgabe verlieren, die mich ernährt und mir ein wenig Macht verleiht in einer Welt, die nicht viel Federlesens macht mit uns armen Leuten.« Hob klopfte zur Bekräftigung auf den Schlüsselbund an seinem Gürtel und brachte ihn zum Klirren. »Und dies alles, weil Ihr es nicht übers Herz bringt, Ellen zu sagen, wie töricht sie doch ist, wenn sie darauf wartet, dass Ihr jemals zu ihr ins Bett steigt. Wir wissen nämlich genau, dass sie einen Narren an Euch gefressen hat!«, sagte er unwirsch. »Ist Euch nicht klar, dass ein jeder im Bedlam sich schon lustig macht über Euch?«
Ich spürte, wie ich errötete. »Dergleichen will sie gewiss nicht. Wie könnte sie auch, nach dem, was ihr widerfahren ist?«
Wieder zuckte er mit den Schultern. »Bei manchen Weibern schärft es umso mehr das Verlangen, wie man hört. Was sollte sie sonst von Euch wollen?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht träumt sie von höfischer Liebe.«
Er lachte. »So kann man es auch nennen. Sagt ihr doch endlich, dass Ihr kein Interesse an ihr habt. Macht Euch selbst und allen anderen das Leben nicht so schwer.«
»Das kann ich nicht. Es wäre grausam. Ich muss irgendwie einen Ausweg finden, Hob. Ich muss wissen, wer ihre Angehörigen sind.«
»Ein Rechtskundiger wie Ihr hat doch gewiss Mittel und Wege, dergleichen zu ergründen.« Seine Augen wurden schmal. »Ellen ist wirklich nicht ganz bei Trost, glaubt es mir. Es ist nicht nur die Weigerung, hinauszugehen. All diese eingebildeten Krankheiten, und nachts, da hört man sie in ihrer Kammer leise wimmern und Selbstgespräche führen. Wollt Ihr meinen Rat? Geht fort und kommt nicht wieder. Schickt Euren Gehilfen mit der Nachricht her, dass Ihr Euch vermählt habt oder tot seid oder gegen die Franzosen in den Kampf gezogen.«
Ich erkannte, dass Gebons es auf seine Weise gut mit mir meinte. Mit mir, aber nicht mit Ellen. Ellen war ihm einerlei.
»Was würde mit ihr geschehen, wenn ich Euren Rat befolgte?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie würde krank werden. Aber das wird sie auch ohne Euer Zutun. Ihr verlängert nur das Elend.« Er sah mich listig an. »Vielleicht habt Ihr ja Angst, es ihr zu sagen.«
»Du vergisst dich, Gebons«, fuhr ich ihn an.
Er zuckte mit den Schultern. »Tja, ich kann Euch nur eines sagen: Sobald sich ein Kranker etwas fest einbildet, lässt er sich so bald nicht davon abbringen. Glaubt es mir, Sir, ich bin nun schon seit zehn Jahren hier, ich kenne mich aus.«
Ich wandte mich ab. »Wir sehen uns in zwei Wochen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Nun gut. So Gott will, gibt sie sich damit zufrieden. Vorerst.«
Ich verließ das Büro und ging aus dem Haus, schloss die Tür hinter mir. Ich war froh, den Gestank an diesem Ort hinter mir zu lassen. Ich
muss
die Wahrheit über Ellen ergründen, dachte ich, mir wird schon etwas einfallen.
kapitel drei
I ch ritt nach Hause zurück, legte eilig die besten Kleider an und begab mich zu Fuß zur Anlegestelle Temple Stairs, um mich im Boot die zehn Meilen flussaufwärts nach Hampton Court rudern zu lassen. Die Flut war günstig, dennoch tat der Fährmann sich schwer an diesem schwülheißen Morgen. Jenseits von Westminster passierten wir zahlreiche Barkassen, die vollbeladen mit Vorräten – Tuchballen, Korn aus den königlichen Speichern, viele hundert Langbögen – flussabwärts segelten. Da mein schwitzender Fährmann ziemlich maulfaul und daher jeglicher Konversation abhold war, starrte ich über die Felder. Normalerweise färbten die Kornähren sich um diese Zeit allmählich golden, doch nach dem miserablen Wetter der letzten Wochen waren sie immer noch grün.
Mein Besuch bei Ellen drückte mir aufs Gemüt, besonders Hobs Worte über
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