Der Pfeil der Rache
ausgetauscht werden«, sagte ich. »Hob sollte sich darum kümmern.«
Sie folgte meinem Blick, kratzte sich verlegen am Handgelenk. »Tja, das sollte er wohl.« Flöhe, dachte ich. Die würde ich mir nun auch holen.
»Warum gehen wir nicht hinaus und stellen uns in den Eingang«, schlug ich ihr vor. »Wir könnten in den Hof hinausblicken. Draußen scheint die Sonne.«
Sie schüttelte den Kopf und schlug die Arme um ihren Leib, als wollte sie die Gefahr von sich abwehren. »Das kann ich nicht.«
»Als ich Euch kennenlernte, konntet Ihr es, Ellen. Wisst Ihr noch, als der König die Königin heiratete? Wir standen in der Tür und lauschten den Kirchenglocken.«
Sie lächelte traurig. »Wenn ich es tue, dann werdet Ihr mich drängen, vor die Tür zu gehen, Matthew, glaubt Ihr, das wüsste ich nicht? Dabei fürchte ich mich doch so sehr. Wisst Ihr das denn nicht?« In ihrer Stimme schwang ein bitterer Unterton, und sie blickte wieder zu Boden. »Erst wollt Ihr mich nicht besuchen, dann kommt Ihr und quält mich. Das ist gegen unsere Vereinbarung.«
»Natürlich besuche ich Euch, Ellen. Selbst wenn ich wie jetzt in Eile bin und eigene Sorgen habe.«
Ihre Miene wurde sanft. »Wirklich, Matthew? Was bedrückt Euch denn?«
»Ellen, wollt Ihr denn den Rest Eures Lebens hier verbringen?« Nach kurzem Zögern fragte ich weiter: »Was würde denn geschehen, wenn Eure Gebühren nicht mehr bezahlt würden?«
Sie erstarrte. »Ich kann nicht darüber sprechen. Das wisst Ihr genau. Es geht über meine Kräfte.«
»Glaubt Ihr, Shawms ließe Euch aus reiner Barmherzigkeit bleiben?«
Sie zuckte zusammen und sagte dann lebhaft, wobei sie mir ins Gesicht blickte: »Ihr wisst genau, dass ich ihm mit den Patienten zur Hand gehe. Ich bin tüchtig darin. Er würde mich weiter hierbehalten. Mehr will ich nicht vom Leben, bis auf –« Sie wandte sich ab, und ich bemerkte Tränen in ihren Augen.
»Also schön«, sagte ich. »Also schön.« Ich stand auf und rang mir ein Lächeln ab.
Auch Ellen lächelte strahlend. »Was gibt es Neues von Baraks Frau?«, fragte sie. »Wann soll das Kind denn kommen?«
* * *
Eine halbe Stunde später verließ ich sie. Zuvor hatte ich ihr versprechen müssen, binnen zwei Wochen wiederzukommen –
binnen
, nicht
nach
zwei Wochen: Und wieder hatte sie unsere Vereinbarung zu ihren Gunsten verändert.
Hob Gebons erwartete mich in Shawms’ unaufgeräumtem kleinen Kontor, er saß am Schreibpult, die Hände über dem schmierigen Wams gefaltet. »Wie ist es gelaufen, Sir?«, fragte er.
Ich schloss die Tür. »Ellen war wie immer.« Ich sah ihn an. »Wie lange ist sie nun schon hier? Neunzehn Jahre? Die Regeln besagen, dass ein Patient nicht länger als ein Jahr im Bedlam verbleiben kann, bis dahin muss er geheilt sein.«
»Wer zahlt, der bleibt. Es sei denn, sie machen uns eine Menge Verdruss. Und das ist bei Ellen Fettiplace nicht der Fall.«
Ich zögerte kurz. Aber ich hatte einen Entschluss gefasst: Ich musste herausfinden, wer ihre Angehörigen waren. Ich öffnete den Beutel, hielt eine alte Goldmünze in die Höhe, einen Halfangel. Eine großzügige Bestechungssumme. »Wer zahlt für Ellen die Gebühren, Hob? Wer?«
Er schüttelte fest entschlossen den Kopf. »Ich kann es Euch nicht sagen, und Ihr wisst es auch.«
»Seit ich sie kenne, habe ich nur erfahren, sie sei als junges Mädchen in Sussex überfallen worden und dass man ihr Gewalt angetan habe. Ich weiß außerdem, wo sie aufgewachsen ist – in einem Ort namens Rolfswood.«
Gebons starrte mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Wie habt Ihr das herausgefunden?«, fragte er leise.
»Eines Tages erzählte ich ihr vom Bauernhof meines Vaters in Lichfield und erwähnte die große Überschwemmung im Winter des Jahres 1524. Daraufhin sagte sie: ›Damals war ich noch ein Kind. Ich weiß noch genau, wie wir in Rolfswood …‹, woraufhin sie verstummte und nichts mehr sagen wollte. Doch ich habe mich umgehört und erfahren, dass Rolfswood ein Städtchen im Eisenland von Sussex ist, unweit der Grenze nach Hampshire. Ellen will jedoch nichts mehr preisgeben, weder von ihrer Familie noch von dem, was ihr zugestoßen ist.« Ich sah Gebons eindringlich an. »Hat jemand aus ihrer Familie sie überfallen? Ist das der Grund, warum niemand sie besucht?«
Hob starrte auf die Münze, die ich noch immer in die Höhe hielt, dann auf mich. »Ich kann Euch nicht helfen, Sir«, sagte er bedächtig und mit Nachdruck. »Master Shawms hat uns eingebleut,
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