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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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rannten mit langen Spießen aufeinander los, täuschten Handgemenge vor, suchten mit provisorischen Zielvorrichtungen ihre Treffsicherheit im Bogenschießen zu vervollkommnen. Sämtliche Männer waren bereits sonnengebräunt. Offiziere, die meisten zu Pferde, behielten ihre Männer im Blick, doch Leacon entdeckte ich nicht. Es gab inzwischen so viele Zelte, dass man Mühe hatte, sich zurechtzufinden. Der Gestank nach Unrat war unerträglich.
    Wir fanden das Feld, auf dem Leacons Kompanie Quartier bezogen hatte, und stiegen von den Pferden. Sämtliche Zelte in diesem Bereich des Lagers waren jedoch geschlossen und leer, bis auf eines, etwas abseits, wo ein junger Soldat alleine saß und sich von einem hölzernen Brett Brot und Käse schmecken ließ.Ich erkannte in ihm einen von Leacons Männern. Sein Gesicht war von Mückenstichen übersät, und ich bemerkte, dass der lange Kragen oberhalb seiner Tunika zerschlissen, die Tunika selbst schmutzig war. Ich fragte ihn, ob er wisse, wo sich die übrigen Männer der Truppe befänden.
    »Auf den Schiffen, Sir«, antwortete er. »Um seetüchtig zu werden und das Schießen vom Schiff aus zu erlernen. Ich soll die Zelte bewachen. Sie kommen heute Abend zurück.«
    »Wir haben einige Kriegsschiffe draußen auf See gesehen.«
    »Ja. Angeblich sind die
Great Harry
, die
Mary Rose
und die
Murrain
ausgelaufen. Sie haben fünf Kompanien an Bord.«
    »Danke.«
    »Wie behagt dir dieses Leben, Kumpel?«, fragte Barak.
    »Ist neu für mich. Der König kommt morgen her und inspiziert die Flotte. Man munkelt, die Franzosen kommen in ein paar Tagen. Vor zwei Wochen war ich noch der Gehilfe eines Kirchenvorstehers. Das habe ich nun davon, dass ich ein geübter Bogenschütze bin.«
    »Tja, dergleichen kann gefährlich sein.«
    Der Soldat wies auf sein Brett. »Seht euch bloß den Fraß an, den sie uns vorsetzen. Der Käse halb verschimmelt und das Brot steinhart. Erinnert mich an die Hungersnot im Jahr ’27, als ich noch klein war. Seitdem hab ich krumme Beine.« Er nahm einen Schluck aus dem hölzernen Humpen neben sich. Darauf prangte in großen Lettern ein lateinischer Spruch:
Wenn Gott mit uns ist, wer könnte gegen uns sein?
    »Ich hoffe, du erhältst einen sicheren Posten, Bursche«, sagte ich.
    »Danke.«
    Wir ritten weiter. »Was nun?«, fragte Barak.
    »Zum Godshouse, vielleicht kann man uns dort Auskunft geben, wo wir Master West finden.«
    »Wahrscheinlich an Bord der
Mary Rose

    »Vielleicht ist er auch an Land oder geht heute Abend an Land«, sagte ich zögernd. »Wir sollten uns eine Unterkunft suchen. Vermutlich müssen wir hier nächtigen.«
    Aufseufzend sagte er: »Also schön, wenn es sein muss. Bei Gott, dieser Soldat vorhin, das hätte ebenso gut ich sein können. Die eine Nacht noch, die schulde ich Euch.«
    Als wir auf die Stadt zuritten, sah ich auf den Wehrmauern Soldaten auf und ab schreiten und auf den Türmen große Kanonen glänzen, lange schwarze Rohre, die zu uns herausragten.

kapitel siebenunddreißig
    V or dem Tor mussten wir eine geraume Zeit warten. Die Wachtposten fragten einen jeden, was er in Portsmouth zu schaffen habe, vermutlich aus Furcht vor französischen Spionen. Ich müsse einer juristischen Angelegenheit wegen die Guildhall aufsuchen, behauptete ich, und so wurden wir eingelassen.
    In Portsmouth drängte sich noch mehr Volk als bei unserem letzten Besuch, überall waren Zelte errichtet worden, exerzierten Soldaten. Wir ritten die High Street entlang, zwischen Kaufleuten und Handwerkern, Soldaten und Seeleuten aus dem In- und Ausland. Viele der Männer, wie die Soldaten im Lager, kamen allmählich zerlumpt und schmutzig daher. Fuhrknechte lenkten ihre schweren Karren hinunter zum Hafen und riefen den Leuten zu, sie sollten den Weg frei machen. Säuerlicher Schweißgestank lag in der Luft und mischte sich in den strengen Geruch aus den Brauhäusern.
    Barak schüttelte sich. »Verflucht, ich hab mir Flöhe eingefangen.«
    »Wahrscheinlich im Lager. Suchen wir uns ein sauberes Quartier, dann gehen wir zum Godshouse.«
    Wir lenkten die Pferde in die Oyster Street und ritten auf den Anlegesteg zu. Mit der Flut waren zahlreiche Ruderboote in den Camber gekommen und hielten sich bereit, Güter vom Steg zu den Schiffen zu bringen. Wir ritten fast bis zum Steg; von hier aus schauten wir über den tiefgelegenen Point zu den Schiffen, die in drei Reihen im Solent vor Anker lagen. Sie boten einen noch atemberaubenderen Anblick als bei unserem ersten

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