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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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traten auf den Flur und trafen den Wirt, der mit einem vollen Tablett aus der Wirtsstube kam. »Was sollen die Kanonenschüsse?«, fragte ich.
    Er lachte über meine bange Miene. »Sie probieren die Kanone auf dem Runden Turm aus und jene drüben am Gosport. Vermutlich um sicherzugehen, dass wir die Hafenmündung im Griff haben, wenn die Franzosen auftauchen.« Ein hämisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. »Habt Ihr neben dem Turm die große Ankerwinde bemerkt?«
    »Ja.«
    »Die Kette dazu hat Glieder von einem Fuß Länge; sie wird quer über die Hafenmündung gespannt und soll jedes Schiff abhalten. Aber sie wurde voriges Jahr zur Reparatur gebracht und ist seitdem nicht zurückgekommen. Also brauchen wir Kanonen, wenn die Franzosen kommen.«
    »Ich dachte, sie wären schon gelandet.«
    »Wenn es so weit ist, wird Euch Hören und Sehen vergehen bei all dem Getöse«, sagte der Wirt. Und ging davon.
    »Jetzt bin ich wach«, gab Barak zu. »Gehen wir.«
    * * *
    Wir verließen die Schenke und gingen hinauf zur High Street. Vor der Guildhall hatte sich eine Menschenmenge versammelt, um einen fremd anmutenden Trupp Soldaten vorübermarschieren zu sehen. Statt einer Rüstung trugen sie knielange Tuniken unter kurzen verzierten Wämsern; ihre Beine waren nackt, und an den Füßen trugen sie anstatt der Stiefel Sandalen. Die meisten waren großgewachsen und kräftig, mit harten Gesichtern unter den Helmen.
    »Noch mehr Söldner, wie’s aussieht«, sagte ich. »Aus welcher Gegend diese wohl kommen?«
    Ein Knabe neben uns piepte aufgeregt: »Aus Irland, Herr. Das sind die
Kerns
, sie werden bezahlt, um statt der Soldaten des Königs gegen die Franzosen zu kämpfen.«
    Die Iren marschierten vorüber, schauten weder nach links noch nach rechts. Die Menge zerstreute sich, und ein Mann, der vom Eingang der Guildhall aus zugesehen hatte, rückte ins Blickfeld. Es war Edward Priddis. Er starrte kurz in unsere Richtung, machte kehrt und ging wieder hinein. Barak zupfte mich am Arm und zeigte auf ein offenes Fenster.
    »Seht«, sagte er leise.
    Sir Quintin saß an einem Tisch und funkelte zu uns heraus. Neben ihm bemerkte ich noch einen Mann. Er drehte sich um, und ich erkannte – Richard Rich.
    »Verflucht!«, flüsterte Barak.
    Rich erhob sich und ging elegant aus dem Zimmer. Einen Augenblick später stand er in der Tür, zorniger, als ich ihn jemals gesehen hatte, rote Flecke auf den bleichen Wangen. Er schritt über die Straße und geradewegs auf mich zu.
    »Was in drei Teufels Namen habt Ihr hier zu suchen?« Seine Stimme war leise wie immer, aber nicht höhnisch wie sonst, sondern ein bösartiges Zischeln. »Warum schnüffelt Ihr Sir Quintin Priddis hinterher?« Ich bemerkte an ihm ein kleines Zucken im Augenwinkel. »Man hat mir soeben zugetragen, wie schändlich Euer Betragen war während des Untersuchungsverfahrens zum Tod jener Frau.«
    Ich zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen. »Ich wusste nicht, dass Ihr mit Master Hobbey bekannt seid, Sir Richard.«
    »Das bin ich nicht. Aber ich kenne Sir Quintin, und er hat mir eben erzählt, dass Ihr geradezu besessen scheint von der Vorstellung, dem jungen Hugh Curteys könne Unrecht geschehen sein. Ihr habt die Familie regelrecht verfolgt.« Er knurrte vor Wut. »Damit seid Ihr zu weit gegangen, Herr Anwalt. Denkt daran, was diese Sturheit Euch beim letzten Mal eingetragen hat. Wenn Ihr Sir Quintin noch einmal behelligt –«
    »Meine Anwesenheit in Portsmouth hat nicht das Geringste mit diesem Fall zu tun, Sir Richard.«
    »Was habt Ihr dann hier zu suchen?«
    »Eine juristische Angelegenheit –«
    »Was soll das? Mit wem?«
    »Sir Richard, Ihr wisst genau, dass ich darüber schweigen muss.«
    Die seelenlosen grauen Augen bohrten sich in die meinen, die schwarzen Pupillen stachen wie Nadeln. »Wie lange bleibt Ihr in der Stadt?«
    »Ich reise morgen wieder ab.«
    »Wenn der König nach Portsmouth kommt. Ihr geht ihm besser aus dem Weg.« Er beugte sich zu mir. »Ich bin ein Mitglied im Kronrat, Master Shardlake, vergesst das nicht, und diese Stadt bereitet sich auf den Krieg vor. Wenn ich wollte, könnte ich Statthalter Paulet bitten, Euch als mutmaßlichen französischen Spion einzukerkern.«

kapitel achtunddreißig
    W ir gingen weiter die High Street entlang. Meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. »Jack«, sagte ich. »Die Sache geht tiefer, als ich dachte. Rich ist persönlich daran beteiligt.«
    »Habt Ihr gesehen, wie sein Auge zuckte? Um ein Haar

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