Der Pfeil der Rache
flachen Hand auf das Papier. »Dies hier sind die Besatzungen, die jedes Schiff aufnehmen wird, vom König genehmigt. Wollt Ihr vielleicht nach Portchester reiten und mit ihm streiten?« Der Mann blickte auf und gewahrte mich. Unter gereiztem Stirnrunzeln langte er herüber und stieß die Tür zu.
Ein schwarzgekleideter Schreiber ging vorüber, in Begleitung eines Mannes in Anwaltstracht. Ich trat vor ihn hin. »Verzeiht, Bruder, könnt Ihr mir helfen? Ich muss dringend mit einem der Schiffsoffiziere sprechen, Philip West. Ich glaube, er befindet sich an Bord der
Mary Rose
.«
Der Schreiber hielt inne, beeindruckt von meiner Sergeantentracht. »Sämtliche Offiziere bleiben jetzt auf den Schiffen. Ich bezweifle allerdings, dass man einen Zivilisten an Bord ließe. Vielleicht könnt Ihr ihm eine Nachricht zukommen lassen.«
Schlechte Nachrichten. Ich überlegte. »Ich kenne einen Offizier in der Armee; wie ich hörte, ist seine Kompanie heute auf See.«
»Sie werden in der Dämmerung an Land gerudert. Die Soldaten können nicht auf den Schiffen nächtigen, es ist kein Platz für sie da.«
»Verstehe. Habt Dank.«
Die zwei Männer eilten weiter. »Ich spreche mit Leacon, wenn er zurückkommt«, sagte ich zu Barak. »Vielleicht bringt er mich an Bord der
Mary Rose
.«
»Was? Ihr wollt auf dem Schiff mit West sprechen? Wenn er es war, der Ellen geschändet hat, seid Ihr ihm dort ausgeliefert.«
»Auf einem Schiff voller Soldaten und Seeleute? Nicht doch. Ich gehe allein. Ein Gespräch unter vier Augen ist wohl das Beste«, fügte ich hinzu. »Keine Widerrede, die Sache ist beschlossen. Jetzt komm, heute Nachmittag bleiben wir in der Herberge, halten uns von den faulen Dämpfen fern.«
Barak maß mich mit forschendem, besorgtem Blick. Ich machte kehrt und schritt hinaus in den geschäftigen Innenhof. Unweit der Eingangsstufen standen zwei Männer um die dreißig und redeten. Der eine hatte ein strenges Gesicht, den schwarzen Bart gestutzt, und trug eine lange, dunkle Robe. Der andere war mir bekannt; er trug ein grünes Wams, von dem sich der kupferrote Bart abhob, und eine perlenverzierte Kappe auf dem Haupt. Sir Thomas Seymour, den ich zuletzt mit Rich im Eingang von Hampton Court hatte stehen sehen. Er hörte dem anderen aufmerksam zu.
»D’Annebault ist ein Soldat, kein Seemann«, sagte der Schwarzbärtige zuversichtlich. »Er wäre wohl kaum in der Lage, eine Flotte dieser Größe zu befehligen.«
»Die Bürgerwehren zwischen hier und Sussex sind gerüstet, jedes Schiff abzuwehren«, entgegnete Seymour stolz.
Barak und ich schwenkten ab, so dass Seymour uns den Rücken zudrehte. »Dann ist er also hier gelandet«, sagte ich leise. »Und der bei ihm stand, ist Thomas Dudley, Lord Lisle, Lordadmiral der königlichen Flotte. Man hat ihn mir einmal in Westminster gezeigt.«
»Scheint ja ein grimmiger Bursche zu sein.«
Ich spähte über die Schulter zurück auf den Kommandanten. Er galt als ein mannhafter Krieger, geschickter Administrator und harter Bursche. Dudley bemerkte meinen Blick und starrte einen Moment lang zurück, seine Augen lagen dunkel im blassen Gesicht. Ich wandte mich rasch ab.
»Ich bin ganz und gar nicht dafür, dass Ihr an Bord dieses Schiffes geht«, sagte Barak beharrlich.
»Ich muss mit West sprechen, sehen, wie er reagiert, wenn er erfährt, dass man den Leichnam von Ellens Vater entdeckt hat. Wir verlassen Portsmouth morgen in aller Herrgottsfrühe, noch ehe der König eintrifft«, fügte ich unwirsch hinzu. »Ich gehe noch heute Abend an Bord, wenn es sein muss.«
* * *
Wir kehrten zur Schenke zurück und bestellten uns eine Mahlzeit aufs Zimmer. Danach versuchten wir ein wenig zu ruhen, aber das endlose Gerede und Geschrei aus der Oyster Street und vom Hafen her machte dies schier unmöglich: Und ich war ungeduldig, weil ich wusste, wie wenig Zeit mir blieb, mit West zu sprechen. Dann wurde in nächster Nähe eine Kanone abgefeuert und rüttelte an den Läden, die wir gegen den Gestank geschlossen hatten. Dem Schuss folgte ein zweiter, etwas weiter weg.
Barak sprang aus dem Bett und stieß die Läden auf. »Herrjesus, sind sie etwa da, die Franzosen?«
Ich eilte zu ihm, blickte über die Oyster Street auf den Camber. Das Wasser zog sich zurück und hinterließ schmutzigen Schlamm. Männer machten sich an der Kanone auf dem Runden Turm zu schaffen. Es erfolgte ein weiterer Donnerschlag, und Rauch entwickelte sich.
»Ich will sehen, was vor sich geht«, sagte Barak.
Wir
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