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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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die Küchengerüche; Säckchen mit Ginster und Lavendel an den Wänden sollten die Luft beduften, hatten aber wenig Wirkung.
    Einige Männer maßen Kanonenkugeln aus Stein und aus Eisen, indem sie sie mit den großen runden Aussparungen in Holzbrettern verglichen, und stapelteten sie dann sorgsam in die dreieckigen Behälter neben jeder Kanone. Zwei Offiziere sahen ihnen dabei zu: einer bärtig und in mittleren Jahren, ein silbernes Pfeifchen an einer seidenen Schärpe um den Hals, der andere jünger. »Die Arbeit sollte vor Einbruch der Dunkelheit getan sein«, knurrte der Ältere. Sein Blick fiel auf uns und verharrte auf mir, wobei er fragend das Kinn reckte. Morgan verneigte sich tief.
    »Dieser Gentleman hier hat eine Nachricht zu überbringen, Sir, für Master West. Er hält sich unten in der Kombüse auf.«
    »Kommt den Männern ja nicht in die Quere!«, blaffte der Mann mich an. Morgan führte mich über das Kanonendeck. Wir erreichten eine weitere Luke, von der aus eine Leiter nach unten führte. »Die bringt Euch geradewegs in die Kombüse, Sir«, sagte Morgan.
    »Wer war der Offizier?«
    »Der Kommandant. Er ist für das Schiff verantwortlich.«
    »Ich dachte, diese Aufgabe wäre dem Kapitän vorbehalten.«
    Morgan lachte. »Kapitän Grenville kennt die
Mary Rose
nicht einmal, obwohl er im Gegensatz zu anderen Kapitänen wenigstens ein Seemann ist. Die meisten, müsst Ihr wissen, sind adelige Gentlemen, damit wir Scheu vor ihnen haben.« Wie Sir Franklin, dachte ich.
    Morgan trat an die Leiter und machte sich leichtfüßig an den Abstieg. Ich folgte ihm.
    Wir passierten ein weiteres Deck, in diverse Speicher unterteilt. Ich machte Fässer und Kisten aus, Rollen mit ungemein dicken Tauen. Heißer Dampf schwallte zu uns herauf. Das Schiff, ächzend und knarzend, stampfte leicht, und beinahe wäre ich hingeschlagen. Ein rotes Glühen leuchtete zu uns herauf, dazu ein Schwall heißer Luft, der den Gestank nach verdorbenem Fleisch übermächtig mit sich führte. Ich wandte mich Morgan zu; sein Gesicht war von unten rot erleuchtet. »Woher kommt Ihr?«, fragte ich.
    »Von St. David’s, Sir. Ich war Fischer, bis sie mich, wie halb Wales, anheuerten. Und trotz alledem fehlt es ihnen an Seeleuten, ein Drittel der Mannschaft stammt aus Spanien und Flandern.«
    »Wie viele Matrosen sind an Bord?«
    »Zweihundert. Dazu kommen dreihundert Soldaten, wenn wir in die Schlacht ziehen, heißt es. Zu viele, sagen manche, sie könnten das Schiff zum Kentern bringen, wenn sie alle auf den hohen Deckaufbauten Stellung beziehen.«
    Wir stiegen durch eine weitere Luke, und allmählich schmerzten meine Arme. Dann waren wir im Laderaum. Dichter, stinkender Dampf nahm mir die Luft, und sofort war mein Gesicht schweißgebadet. Ein fauliger, salziger Geruch stieg von den Strandkieseln auf, die als Ballast dienten. Zu meiner Linken erblickte ich zwei große Backsteinöfen, auf einen Mauersockel gesetzt, in welchen unter gewaltigen Bottichen mit brodelnder Suppe, worin dicke Brocken grauen Fleisches trieben, gelbe Flammen züngelten. Die Flammen unter den brodelnden Pötten und die schwitzenden Wände erinnerten an die Höllenvisionen radikaler Prediger. Zwei junge Männer mit bloßem Oberkörper rührten in der Suppe. Der eine unterbrach seine Tätigkeit, um von einem kleinen Stapel ein Holzscheit in eines der Feuer zu werfen. Auf der anderen Seite der Pötte untersuchten zwei Männer, was in der Schöpfkelle schwamm. Der eine war Philip West, der andere vermutlich der Koch.
    Der Koch sagte: »Das können wir ihnen nicht vorsetzen, Sir. Wir kippen es am besten über Bord und öffnen ein Fass mit Stockfisch, der nicht verdorben ist.«
    »Sind denn noch welche übrig?«, entgegnete West in unwirschem Zorn. »Heute sollte doch ein Wochenvorrat an Proviant geliefert werden! Aber du hast recht, das Zeug hier kann man nicht fressen. Es ist verdorben.« Da wurde er meiner ansichtig, und ich las Verwunderung und dann so etwas wie Entsetzen in seiner Miene. Er trat auf mich zu. »Was soll das?«, herrschte er Morgan an.
    »Dieser Gentleman hier möchte Euch sprechen, Sir«, antwortete der Seemann bescheiden. »Er sagt, die Sache sei dringend.«
    »Sir«, rief der Koch, »wir haben noch drei Fässer mit Stockfisch übrig, also können wir eines öffnen.«
    »Gut«, blaffte West. Sein Blick ruhte noch immer auf mir, sein Gesicht war rot und fleckig von der Hitze und dem Dampf. Der Koch winkte einen der Männer herbei, die in der Suppe rührten,

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