Der Pfeil der Rache
Umgang pflegen; die Königin wusste schon, dass er zuweilen Briefe an Anne Boleyn überbrachte. Dann bat sie mich, den besagten abzufangen. Katharinas Spitzel im Hofstaat des Königs hatten ihr offenbar zugetragen, dass er wichtige Informationen enthalte. Also vereinbarte ich mit Philip West, ihn nach Rolfswood zu begleiten.«
»Wie habt Ihr den Brief an Euch gebracht?«
»Es genügt, wenn Ihr wisst, dass es gelang.«
»Nein, Sir Richard, wenn wir einen Handel vereinbaren, muss ich alles wissen. Denkt daran, Barak ist schon auf dem Weg nach London.«
Rich presste die schmalen Lippen aufeinander. »Ihr seid Philip West begegnet. Er wird von seinen Leidenschaften beherrscht, erst recht, als er noch jünger war. Und wie vielen, die sich rechtschaffen nennen, gelten ihm seine Ehre, sein guter Ruf, seine Eitelkeit mehr als alles andere. Was seine Mutter von ihm hält.« Er rümpfte verächtlich die spitze Nase. »Ich ritt an jenem Tag mit ihm nach Rolfswood und wartete in der Nähe in einer Schenke, während er um Ellen Fettiplaces Hand anhielt.«
»Ich dachte, es sei zu einer Rauferei gekommen und dass er ihr an diesem Tag noch keinen Antrag machen, sondern nur mit ihrem Vater sprechen wollte.«
»Nein, nein. Das war eine Lüge, die er sich für seine Eltern ausgedacht hatte.« Er zog die Augenbrauen in die Höhe. »Er empfand sehr viel für die Jungfer. Sie war keine große Schönheit, aber sei’s drum.« Er hielt kurz inne. »Ich sehe schon, was ich sage, gefällt Euch nicht. Vielleicht hegt Ihr ja selbst Gefühle für diese Ellen.«
»Nein, ganz und gar nicht.«
Rich zuckte die Schultern. »Nun, Philip West war der festen Überzeugung, dass sie ihm ihr Jawort geben würde, dass jemand seines Standes ein guter Fang für sie sei. Doch als er zurückkam, hatte sie ihn abgewiesen; sie liebte ihn nicht. Er war wütend, außer sich, gedemütigt. Geiferte wie ein Dämon in einem Bühnenstück. Ich hörte seinem Gefasel zu, ermunterte ihn zum Trinken, bis er sturzbesoffen wäre und ich Gelegenheit bekäme, den Brief zu ergattern, doch seine Hand tastete immer wieder nach der Stelle im Hemd, wo er ihn aufbewahrte. Er würde ihn nicht vergessen. Es sei denn, irgendein dramatisches Ereignis würde ihn ablenken. Am Ende beschloss er, wieder nach Petworth zurückzureiten. Wir hatten uns eben auf den Weg gemacht, als mein zweiter Trumpf vor uns auftauchte. Ellen Fettiplace selbst.«
Es war warm im Zelt, aber ich fröstelte. Eine Motte kam durch einen Spalt ins Innere geflogen und flatterte um die Kerzen herum. Ich entsann mich, wie Dyrick in Hoyland die Motte totgeschlagen hatte. Rich ignorierte sie. »Was bedeutet Euch Ellen Fettiplace?«, fragte er. »Wisst Ihr genau, dass sie nur eines Eurer streunenden Kinder ist und nicht mehr?«
»Nein«, antwortete ich traurig. »Nicht mehr.«
Er sah mich ungerührt an. »Sie ist mir seit Jahren ein Dorn im Auge.« Wieder zuckte sein Lid. »Muss ich wirklich weitersprechen?«
»Jawohl, Sir Richard. Wenn wir uns einigen sollen, muss ich erfahren, was Ellen zugestoßen ist. Und ihrem Vater und dessen Gehilfen.«
»Ich kann bestreiten, dass diese Unterredung jemals stattgefunden hat, das ist Euch hoffentlich bewusst. Es gibt keine Zeugen.«
»Gewiss.«
Er runzelte die Stirn und fuhr in knappen Sätzen in seiner Erzählung fort. »Die Jungfer sah uns auf sie zureiten und blieb stehen. Wests Miene machte ihr Angst. Nimm sie dir, sagte ich zu ihm, es ist doch niemand da. Verflucht, sagte er, das werde er auch tun. Er war viel zu betrunken, um die Folgen zu bedenken. Ich musste ihm dabei helfen, sein Schwert loszuschnallen und aus dem Sattel zu steigen. Ich dachte, die Jungfer werde fortlaufen, doch sie stand nur da und hielt Maulaffen feil, als wir sie packten. West nahm sie mit Gewalt. Ich half, sie festzuhalten, und während er auf ihr zugange war, nahm ich mir den Brief. Er bemerkte es nicht, weil er schon in sie eingedrungen war und das Mädchen sich nach Kräften gegen ihn wehrte. Ich bin überrascht, dass er in seinem Rausch noch dazu imstande war. Ich nahm also den Brief und machte mich davon. Unglücklicherweise musste ich das Pferd zurücklassen.«
»Und wenn das Mädchen geredet hätte?«
»Ich hätte behauptet, sie sei nicht bei Trost. Ich hätte West davon abhalten wollen, und als mir dies nicht gelungen sei, hätte ich Hilfe herbeiholen wollen.« Er überlegte. »Außerdem war es mir das Risiko wert, schließlich musste ich die Gunst der Königin gewinnen.«
Ich
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