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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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vor Augen, im Angesicht des Todes.
Alsdann die Bestimmung des Nachlassverwalters:
Hiermit ernenne ich Sir Richard Rich aus Essex, Mitglied im Geheimen Kronrat Seiner Majestät des Königs, zu meinem Nachlassverwalter
. Das erste Vermächtnis war bereits eingefügt:
Den obengenannten Sir Richard Rich bitte ich um Vergebung für die ehrenrührigen Beschuldigungen, die ich viele Jahre gegen ihn erhoben habe, da er mir jetzt wahre Freundschaft bezeigt hat. Ich hinterlasse ihm 50 Pfund
. Nun folgte Raum für weitere Vermächtnisse, das Datum,
18. Juli 1545
, sowie Platz für meine Unterschrift und jene zweier Zeugen.
    Rich reichte mir zwei leere Papierbögen. »Zwei Abschriften!«, wies er mich in befehlerischem Tone an. »Eine behalte ich hier, denn wie ich Euch kenne, verfasst Ihr sofort ein neues Testament, sobald Ihr wieder in London seid. Das ist mir gleich, die fünfzig Pfund sind ein nomineller Betrag, wie ein jeder feststellen kann. Ich will dieses Testament, um es dem Richter vorzulegen, solltet Ihr je Anzeige gegen mich erheben. Einige ehrbare Männer aus diesem Lager, die weder mich noch Euch kennen, werden es beglaubigen und später bezeugen, dass Ihr es aus freien Stücken verfasst habt.« Er warf den zierlichen kleinen Kopf in den Nacken. »Kein Vermächtnis übrigens an Ellen Fettiplace.«
    Ich las den Entwurf erneut durch. Sauber, ordentlich, wie alles, was Rich unternahm, bis auf jenes erste Wagnis in Rolfswood, als er ein gewaltiges Risiko eingegangen war und in einem Anfall von Panik einen Mann ermordet hatte. Er hielt mir eine Feder hin und sagte leise: »Wenn Ihr mich hintergeht, habe ich nichts mehr zu verlieren, und glaubt es mir, dann wird es Ellen Fettiplace übel ergehen. Jetzt wisst Ihr Bescheid, wir halten uns gegenseitig in Schach.«
    Ich nahm die Feder und begann zu schreiben. Da hörte ich draußen Stimmen, Hufschlag, Lärm: Der König und seine Getreuen kehrten von Southsea Castle zurück. Einige Männer gingen an Sir Richards Zelt vorüber und unterhielten sich leise und ernst.
    Als ich zu Ende geschrieben hatte, nahm Rich das Testament entgegen und las beide Abschriften sorgfältig durch. Er nickte. »Ja, großzügige Zuwendungen an Jack und Tamasin Barak und an Guy Malton, wie ich es erwartet habe. Ein paar kleinere Schenkungen an Eure Dienstboten.« Dann blickte er mit belustigter Miene auf. »Wer ist Josephine Coldiron, der Ihr ebenfalls Geld vermacht? Haltet Ihr Euch etwa eine Dirne in der Chancery Lane?«
    »Sie hilft im Haushalt.«
    Rich zuckte die Schultern, las die Dokumente noch einmal durch, ob sich irgendeine Trickserei darin fände, nickte schließlich zufrieden und läutete das Glöckchen auf seinem Tisch. Augenblicklich kam Peel herein. »Holt einige Gentlemen her«, sagte Rich. »Je höher ihr Stand, desto besser. Beamte am besten, niemand, der morgen in ein Gefecht verwickelt sein könnte. Sie sollen überleben, damit sie später bezeugen können, dass mein Freund Shardlake hier sein Testament unterzeichnet hat.« Er blickte auf das Stundenglas. »Sputet Euch, die Zeit läuft.«
    Als Peel verschwunden war, sagte Rich: »Wenn die Zeugen kommen, müssen wir so tun, als seien wir Freunde, das versteht Ihr hoffentlich. Nur für einen Augenblick.«
    »Verstehe«, sagte ich mit schwerer Stimme.
    Rich sah mich an, mit einem Mal neugierig. »Ihr wart mit Lord Cromwell befreundet und hättet es bis an die Spitze schaffen können.«
    »Der Preis war zu hoch.«
    »Ah ja, wir Mitglieder des Kronrats sind allesamt böse Menschen. Und Ihr badet Euch selbstgefällig in dem Gefühl, im Recht zu sein. Darum helft Ihr den Armen und Schwachen. Von jeder Sündenschuld befreit, wie die radikalen Protestanten sagen. Als Trost für Eure Missgestalt vielleicht?« Er grinste spöttisch. »Wisst Ihr, es sitzen auch Männer mit Gewissen im Kronrat. Solche wie ich, Paulet und Wriothesley sitzen am Beratungstisch und hören ihnen zu. Hertford, wenn er gegen Gardiner und Norfolk wettert, was die rechte Religion betrifft. Später hören wir dann, wie sie Ränke schmieden, einander ins Feuer zu bringen. Doch einige von uns beugen sich lieber im Wind, wie Sir William Paulet sagt, als sich von ihm brechen zu lassen. Jene, die ein Gewissen haben, eifern viel zu sehr für ihre Sache, um am Ende überleben zu können. Der König aber kennt den Wert einer ehrlichen, harten Ansicht, und aus diesem Grunde können Männer wie wir überleben, während andere auf dem Schafott enden.«
    »Eure Herzen können nicht

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