Der Pfeil der Rache
hatte sich, auf der Suche nach seiner Tochter, zur Eisenhütte aufgemacht, doch Näheres weiß ich nicht. Als er mich packte, stieß ich ihm das Schwert in den Bauch.« Rich redete gänzlich ungerührt, als verlese er vor Gericht ein Protokoll. »Ich wusste, dass ich mich seiner entledigen musste, ehe jemand auf das Feuer aufmerksam wurde. Ich konnte ihn nicht in der Eisenhütte ablegen, weil dort bereits alles in Flammen stand. Da entdeckte ich im hellen Mondlicht ein Boot am Ufer des Tümpels, also ruderte ich hinaus aufs Wasser und versenkte den Mann mit Hilfe eines Eisenklumpens, der in der Nähe gelegen hatte. Ich marschierte durch den Wald, bis der Morgen heraufdämmerte, mietete mir in einer Herberge ein Pferd und ritt zurück nach Petworth.«
Gewiss saß ihm die Angst im Nacken, dachte ich, wie er nach der grausigen Tat in panischem Schrecken durch die Nacht gestolpert war.
Rich sagte: »Tags darauf stöberte West mich auf. Ich leugnete, irgendetwas mit dem Brand zu tun zu haben, ich sei geradewegs nach Petworth geritten, behauptete ich, und obwohl er mich verdächtigte, hatte er nichts gegen mich in der Hand. Was den Brief und die Vergewaltigung anging, so riet ich ihm, Stillschweigen zu wahren. Doch der Narr ritt noch einmal nach Rolfswood, um mit Ellen zu sprechen. Es war gefährlich und bereitete mir etliche schlaflose Nächte. Doch zum Glück hatte Ellen Fettiplace den Verstand verloren, und nach einer Weile vereinbarten West und seine Eltern mit Priddis, dass man sie ins Bedlam verbringe. Priddis hatte man, wie Ihr Euch vorstellen könnt, tüchtig die Hände versilbert, damit er keine Fragen stellte.«
»Und jetzt habt Ihr mit Philip West eine neue Vereinbarung getroffen.«
»O ja. Darin bin ich gut.«
»Er bestand darauf, Ellen am Leben zu lassen.«
Rich runzelte die Stirn. »Wenn sie jemals zu Schaden käme, sagte er, brächte er die ganze Geschichte an den Tag. Von Gewissensbissen geplagt, fasste er den Entschluss, sich der königlichen Flotte anzuschließen. Er ist halb von Sinnen – ein Teil von ihm sehnt sich danach, den Tod zu finden. Freilich als Ehrenmann.« Rich schnaubte verächtlich. »Aus diesem Grunde war er heute auch bereit, das Mädchen an Bord zu nehmen, weil ich mir so Euer Schweigen erkaufen konnte.«
»Ich soll also für mich behalten, was damals in Rolfswood geschah, und erhalte als Gegenleistung Emma Curteys. Soso. Und was wird aus Ellen?«
Er breitete die Arme aus. »Sie verbleibt im Bedlam, unter Eurer Obhut. Soweit ich weiß, würde sie selbst dann nicht flüchten, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte.«
Ich dachte scharf nach. Aber Rich hatte recht. Ich konnte ihn zwar vernichten, doch in diesem Fall bliebe Emma Curteys auf der
Mary Rose
. Er käme also mit den Morden davon. Doch war ihm dies ohnedies bereits gelungen; ich entsann mich seines Verrats gegen Thomas More, seiner Verfolgung der Ketzer in Essex. Ich fragte: »Wie könnt Ihr Euch so sicher sein, dass ich Emma nicht vom Schiff hole, sie in Sicherheit bringe und Euch am Ende doch verrate?«
»Oh, ich habe Vorkehrungen getroffen.«
»Das dachte ich mir.«
»Selbstverständlich.« Ich fügte hinzu: »Und Mylling habt Ihr auch auf dem Gewissen, nicht wahr?«
»Ich hatte ihm die Anweisung gegeben, mir unverzüglich mitzuteilen, falls jemand nach Ellen Fettiplace fragen sollte. Und so sagte er mir, Ihr hättet herumgeschnüffelt. Doch dann, man stelle sich das vor, versuchte er mich zu erpressen, forderte mehr Geld. Freilich wusste er nicht, dass sein jüngerer Kollege ebenfalls in meinem Sold stand. Ich durfte kein Risiko eingehen, also gab ich dem jungen Schreiber die Anweisung, Mylling zu beseitigen. Ihn in jene Moderkammer zu sperren, war eine gute Idee; hätte er überlebt, hätte man immer noch behaupten können, die Pforte sei versehentlich zugefallen. Der junge Master Alabaster hat jetzt Myllings Pflichten übernommen.« Er senkte den Blick, um in seinen Dokumenten zu blättern. »Nun denn«, schloss er forsch, »da haben wir es ja.« Er zog einen Bogen Papier heraus und reichte ihn mir. »Euer Testament.«
Ich zuckte zurück, wäre fast vom Schemel gekippt, da ein Testament üblicherweise im Angesicht des Todes aufgesetzt wurde. Rich ließ ein spöttisches Lachen hören. »Keine Sorge. Nun, da die Schlacht bevorsteht, macht ein jeder im Lager sein Testament. Seht es Euch an, es enthält Lücken für Euer Vermächtnis.«
Ich las.
Ich schreibe dieses Testament in Portsmouth, die französische Flotte
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