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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Weile warten müssen.«
    »Jawohl, Sir.« Auch er stand auf und reckte die steifen Arme.
    Ich ging daran, die Leiter zu erklimmen, und Peel folgte mir nach.
    * * *
    Wieder half ein Matrose mir durch eine der Luken. Diesmal gelang es mir, die Planken des Wetterdecks mit etwas mehr Würde zu erreichen. Peel hinter mir wirkte mitgenommen. An Deck herrschte ein gewaltiges Gedränge, da sich sowohl Soldaten wie auch Seeleute darauf tummelten. Ein junger Offizier mit einer Trillerpfeife an einem purpurfarbenen Band erwartete uns bereits. »Ihr habt eine Nachricht von Sir Richard Rich für Master West?«, fragte er ohne Umschweife. Peel holte den Brief aus seiner Tasche und zeigte dem Offizier das Siegel.
    »Geht es um den Proviant, auf den wir gewartet haben?«, fragte mich der Offizier.
    Ich zögerte. »Der Brief darf nur an Master West ausgehändigt werden, alsdann muss ich ihn sprechen. Bedaure.«
    Der Offizier wandte sich ab. »Habt ein Auge auf die beiden«, wies er einen der Matrosen an und schritt auf das Bugkastell zu.
    Ich warf einen Blick über das Deck. Viele der Soldaten saßen mit dem Rücken gegen die Lukenblenden zwischen den Kanonen; einige waren damit beschäftigt, die langen Arkebusen zu reinigen. Alle bereiten sich auf die Schlacht vor, dachte ich. Die tiefstehende Sonne warf ihr rotes Licht auf das Schiff, wobei der Schatten des Netzes einen eigenartigen Gittereffekt auf dem Deck erzeugte. Matrosen schleppten in Schlingen paarweise Kanonenkugeln zu den Geschützen, verfluchten einen jeden, der ihnen im Wege stand, und setzten sie in dreieckige Leisten neben den Geschützen. Oberhalb des Netzes wurden Kisten mit Ausrüstung über den Laufgang vom Bug- zum Heckkastell geschleppt. Ich blickte zum Heckkastell auf, sah, wie sich dort unter dem Netz Köpfe bewegten. Es war zu hoch oben, als dass ich hätte erkennen können, ob es sich dabei um Männer aus Leacons Kompanie handelte.
    Ich wandte mich an den Matrosen. Er war ein kleiner, bärtiger Mann von etwa vierzig Jahren – ein Greis unter all den jungen Männern. »Wie viele Soldaten sind jetzt an Bord?«, fragte ich.
    »Nahezu dreihundert«, antwortete er leise mit Waliser Akzent und blickte mich lebhaft an. »Vergebt mir, Sir, aber wie ich hörte, habt Ihr eine Nachricht von Sir Richard Rich. Schickt man einige Soldaten wieder von Bord? Wir finden nämlich, es sind ihrer zu viele; die meisten Offiziere sind derselben Meinung, aber der König hat das Kommando an Vizeadmiral Carew übertragen, und der will nicht hören. Er ist erst seit heute an Bord –«
    »Es tut mir leid, aber das ist nicht der Inhalt meiner Nachricht«, antwortete ich behutsam. »Wo sind die neuen Bogenschützen, die heute an Bord gekommen sind?«
    »Oben, auf den Kastellen. Sie übernachten heute auf dem Schiff, denn die Franzosen kommen vielleicht in der Morgendämmerung, wenn der Wind für sie günstig steht. Sir, viele der Soldaten können nicht einmal ordentlich gehen hier an Bord. Vorhin kam ein wenig Wind auf, und sie haben alles vollgekotzt, das Heckkastell stinkt gottserbärmlich. Weiß der Teufel, wie sie sich erst draußen auf See anstellen. Sir, wenn Ihr Sir Richard Rich eine Nachricht übermitteln könntet –«
    »Hierauf habe ich leider keinen Einfluss.« Ich schaute Peel an, der energisch den Kopf schüttelte. Der Matrose wandte sich ab. In einiger Entfernung bemerkte ich zwischen zwei Kanonen einige Seeleute, die in einer fremden Sprache miteinander redeten. Flamen, dachte ich. Der eine las aufgeregt den Rosenkranz, wobei er die Perlen durch die Finger gleiten ließ. Dergleichen hatte ich schon eine Zeitlang nicht mehr gesehen, da das Ritual seit Lord Cromwells Tagen bei Strafe verboten war. Für ausländische Seeleute galten offenbar weniger strenge Regeln.
    Ich erhaschte Gesprächsfetzen: »Ich habe heute einen Schwan gesehen, er schwamm sorglos zwischen unseren Schiffen einher. Vielleicht ist es ja ein Zeichen Gottes. Ein majestätischer Vogel –«
    »Ich wünschte mir einen, der groß genug wäre, um darauf fortzufliegen –«
    »Wenn die Franzosen das Schiff entern, dann stoßt ihnen die Lanzen zwischen die Schenkel –«
    »Sie schicken uns ihre Galeeren im Morgengrauen, und wir sitzen auf dem Präsentierteller –«
    Ich ließ den Blick das dreigeschossige Bugkastell hinaufwandern, wo sich die Kajüten der verantwortlichen Offiziere befanden. Wieder dachte ich, was für ein erstaunliches Gefährt ein solches Kriegsschiff doch war: sämtliche Teile eng

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