Der Pfeil der Rache
zu Stein werden, weil Ihr keines besitzt«, sagte ich.
»O doch, wir haben ein Herz. Für unsere Familien, unsere Kinder, deren Erziehung wir fördern und die mit Hilfe der Ländereien, die der König uns zuteilt, der Einkünfte und Geschenke seitens unserer Mandanten Reichtum erlangen. Davon versteht Ihr freilich nichts«, sagte er, wobei sein Gesicht sich zu einem hämischen Grinsen verzog.
Schritte näherten sich. Peel kam mit zwei Gentlemen zurück, die ich noch nie zuvor gesehen hatte und die sich tief vor Rich verneigten. Er kam um den Tisch herum und legte mir den schlanken Arm um die Schultern. Ich musste ein Schaudern unterdrücken. »Danke, dass Ihr gekommen seid, Gentlemen«, sagte er. »Mein Freund, Master Shardlake hier, möchte angesichts der drohenden Invasion seine Angelegenheiten regeln. Hättet Ihr die Güte, Euch als Zeugen zur Verfügung zu stellen?«
Die beiden erklärten sich bereit. Sie verrieten mir ihre Namen und sahen zu, wie ich das Testament und die Abschriften unterzeichnete, woraufhin ein jeder als Zeuge den eigenen Namenszug hinzufügte. Rich nahm Kappe und Papiere vom Tisch, dazu zwei zusammengefaltete Briefe und seine Kopie des Testamentes. »Ich danke Euch, meine Herren«, sagte er. »Und nun muss ich gehen, der Kronrat tagt.« Dann sagte er laut, damit die Zeugen es hören konnten: »Ich freue mich, mein lieber Shardlake, dass ich Euch zu Diensten sein konnte.«
»Nichts anderes habe ich von Euch erwartet, Sir«, gab ich mit gleicher Münze zurück.
Die beiden Herren verneigten sich und gingen. Rich hatte noch immer den Arm um mich gelegt. Er nahm ihn fort, versetzte meinem Buckel einen Klatsch und raunte mir zu: »Das wollte ich schon lange einmal tun.« Dann wandte er sich brüsk und sachlich Peel zu. »So, Colin, jetzt begleitet Master Shardlake nach Portsmouth, nehmt Euch ein Boot und rudert mit ihm hinüber zur
Mary Rose
.« Er steckte die beiden Briefe in eine lederne Tasche und reichte diese Peel. »Der unversiegelte Brief ist eine Vollmacht: Damit verschafft Euch Zugang zur Stadt. Der andere ist für Philip West bestimmt, niemanden sonst. Falls ein anderer Schiffsoffizier ihn zu sehen wünscht, nennt ihm meinen Namen. Dann wartet im Boot, bis Master Shardlake zurückkommt, und rudert ihn wieder ans Ufer. Er wird jemanden bei sich haben. Jetzt geht. Steht mein Pferd im Stall?«
»Jawohl, Sir Richard.«
»Habt Ihr das alles auch ganz gewiss verstanden?«, fragte er hämisch.
»Jawohl, Sir.«
»Bruder Shardlake, Ihr weist ihn zurecht, wenn er einen Fehler macht. Ich empfehle mich.« Sprach’s und ging. Peel starrte mich an.
»Habt Ihr die Briefe sicher verwahrt?«, fragte ich.
»Jawohl, Sir.«
»So kommt. Die Zeit drängt.«
kapitel fünfundvierzig
» H abt Ihr ein Reittier, Sir?«, fragte Peel.
»Ja. Ein Soldat hat es weggeführt.«
»Ich hole es. Zu Pferde sind wir schneller am Hafen.« Er verneigte sich und eilte davon. Ich wartete bei den Zelten, blickte hinaus auf die See. Die Sonne stand am Horizont, wieder war es ein friedlicher Sommerabend. Drüben bei South Sea Castle tummelten sich Soldaten um die Kanonen. Einige Männer schleppten ein weiteres großes Geschütz über das sandige Geröll des Uferbereichs. Einige Soldaten hatten kleine Kochfeuer entzündet; andere strömten auf die Zelte zu. Die Luft wurde zusehends kühler, je tiefer die Sonne stand.
Peel kam mit Oddleg und einem weiteren Pferd zurück. »Darf ich Euch beim Aufsitzen behilflich sein, Sir?«, fragte er höflich.
Ich blickte ihn neugierig an, da ich mich entsann, wie leicht er Sir Richards Beleidigungen weggesteckt hatte. »Danke. Ihr habt gewiss viele Vorbereitungen für diese Invasion miterlebt, Bursche, da Ihr bei Sir Richard in Lohn und Brot steht.«
Seine Miene wurde vorsichtig. »Ich lausche nicht, Sir. Ich bin nur ein Untergebener, verrichte meine kleinen Pflichten und halte ansonsten die Ohren geschlossen.«
Ich nickte. »So lebt man gefahrlos.«
Wir ritten auf die Stadt zu, um den Great Morass herum. »Nun«, fragte ich, »was haltet Ihr von alledem?«
»Ich bete zu Gott, dass mein Herr davonkommt, wenn die Franzosen tatsächlich hier einfallen. Aber er ist gerissen.«
»Das ist er in der Tat.«
Auf den stillen Wassern des Morass schwamm kein einziger Vogel, vermutlich hatten die Kanonenschüsse sie vertrieben. Wir näherten uns der Stadtmauer, wo die Tagelöhner, die den Schutzwall stärkten, gerade ihre Schaufeln zusammenpackten.
»Seid Ihr heute mit Eurem Herrn in
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