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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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miteinander verwoben.
    Ein heftiger Windstoß brachte die
Mary Rose
ins Schlingern. Es dauerte nur einen Augenblick, doch während die Matrosen nicht weiter darauf achteten, gerieten die Soldaten neben mir ins Schwanken, und ich hörte Schreie auf den Kastellen. Einige Seeleute lachten, andere runzelten besorgt die Stirn. Dann sah ich West aus dem Bugkastell treten. Er kam allein, und die Männer traten beiseite, um ihn vorbeizulassen.
    * * *
    West baute sich vor uns auf, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Seine tiefliegenden Augen waren blutunterlaufen. »Ihr schon wieder«, knurrte er heiser.
    Peel verneigte sich und überreichte ihm das Schreiben. »Von Sir Richard Rich, Sir.« West erbrach das Siegel und las, dann starrte er mich verblüfft an. Er sagte leise: »Rich schreibt mir, Ihr wollt einen der Bogenschützen von Bord holen.«
    Demnach wusste er nicht, dass Hugh in Wahrheit ein Mädchen war. Rich hatte es ihm nicht erzählt, vielleicht aus Furcht, er werde ihn dennoch von Bord schicken.
    Ich sah mir den Mann an, der Ellens Leben zerstört hatte. »Das ist wahr, Master West. Gemäß der Übereinkunft.«
    »Ich muss mit dem Ersten Zahlmeister sprechen. Er führt hier das Kommando, nicht Sir Richard. Ich weiß nicht, ob ich ihn davon überzeugen kann, einen Rekruten gehen zu lassen.«
    »Wenn wir ihm erzählen, was ich über Hugh Curteys weiß, dann ganz gewiss.«
    West las weiter und sagte dann: »Sir Richard schreibt, er habe mit Euch eine Vereinbarung getroffen. Was die – die andere Sache anbelangt.«
    »So ist es. Eine Vereinbarung, die aus der Not geboren wurde.«
    West wandte sich an Peel. »Ihr seid einer der Leibdiener Sir Richards?«
    »Jawohl, Sir.« Peel schlug die Augen nieder.
    »Dann wisst Ihr ja, wie man den Mund hält.« West hatte leise gesprochen. Jetzt warf er einen Blick in die Runde. »Kommt, Master Shardlake, suchen wir uns ein Plätzchen, wo wir uns ungestört unterhalten können, mal sehen, wie wir diesen Curteys wieder an Land bekommen.« Er blickte zum Bugkastell hinauf und sagte dann: »Nicht meine Kajüte, dort haben wir keine Ruhe. Ich warte auf Proviant, er sollte längst hier sein. Ich weiß einen Ort.«
    Er schritt über das bevölkerte Deck bis zu der Luke unweit des hochaufragenden Großmasts unterhalb des Heckkastells, durch die ich schon unter Deck gestiegen war. Eine Gruppe Matrosen zerrte zum Schlag einer Trommel am Takelwerk. Wieder blickte ich zum Heckkastell empor und fragte mich, ob Leacon durch den Lärm der Trommel an die Belagerung von Boulogne erinnert sein mochte. Ein Seemann kniete nieder und entzündete behutsam die Kerzen in einer Reihe von Laternen auf dem Deck. West griff sich eine, und mit einem flüchtigen Blick auf mich begann er, die Leiter hinabzusteigen. Ich holte tief Luft und folgte ihm.
    Wir erreichten das Kanonendeck. West stand am Fuße der Leiter, während Peel und ich ihm folgten. Kein Mensch war hier unten zu sehen. Ich ließ den Blick über die zweifache Reihe der Kanonen gleiten, die an den geschlossenen Stückpforten standen. Neben den Geschützen befanden sich, in Leisten sauber aufgeschichtet, Geschosse und andere Gerätschaften. Ein Fass war sicher an der Wand vertäut. Es war mit einem weißen Kreuz gekennzeichnet: Schießpulver. Fahles Licht drang durch die vergitterten Luken im Deck über uns, bloße Füße tappten über sie hinweg. Die Bodenplanken wurden geschrubbt.
    »Bereit zum morgigen Gefecht«, sagte West grimmig. »Kommt mit. Hier oben befindet sich ein Lagerraum. Dank der mangelnden Organisation an Land gibt es hier nichts als ein Fass mit verdorbenem Schweinefleisch.«
    Zum Glück hatte er die Laterne bei sich, denn er führte mich in jenen Teil des Kanonendecks, der unmittelbar unter dem Heckkastell lag. Zwischen einer eisernen Kanone und einer großen Kabine, die auf das Kanonendeck herausragte, befand sich ein kleiner Stauraum. Er besaß eine Schiebetür, die mit einem Vorhängeschloss gesichert war, welches West mit Hilfe eines Schlüssels öffnete. Es war ein winziges Lager, kaum fünf Schritt im Quadrat und leer bis auf ein großes Fass, das mittels Stricken und Haken an der Wand befestigt war, damit die Schiffsbewegungen es nicht ins Rollen brachten. Es war mit einem Deckel versehen, dennoch entwich ihm ein Gestank nach fauligem Fleisch.
    Kaum waren wir in dieser Kammer, sah West mich eine Weile schweigend an. Geräusche drangen vom Orlopdeck zu uns herauf, raunende Stimmen, Scharren, Flüche. »Ich kümmere mich

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