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Der Pfeil der Rache

Der Pfeil der Rache

Titel: Der Pfeil der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Sansom
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Portsmouth gewesen?«, fragte ich Peel.
    »Nein, Sir. Ich war im Lager. Wir rannten allesamt aus den Zelten, als es hieß, die Franzosen seien da. Gleich darauf kam der König aus Portsmouth angeritten.«
    Vor dem Haupttor zeigte Peel dem Wachmann Sir Richards Vollmacht, und wir durften passieren.
    Auf der High Street patrouillierten Wachsoldaten. Ansonsten war sie menschenleer, an den Häusern und Werkstätten waren sämtliche Läden verschlossen und verriegelt; offenbar hatten die Eigentümer die Stadt verlassen. In einem der Häuser jaulte ein Hund. Ein einzelner Karren rumpelte vorüber. Er war mit frisch geschlachteten Rinderhälften beladen, von denen das Blut in den Staub tropfte.
    In der Oyster Street dagegen, belebt wie eh und je, tummelten sich Soldaten, Seeleute und Tagelöhner. Am Kai wurden Boote mit Proviant beladen. Wir blieben vor den Lagerhäusern stehen. Jenseits des Camber waren jetzt überall Wachen postiert, selbst auf der leeren Landzunge hinter dem Runden Turm. Die englischen Kriegsschiffe lagen im Solent vor Anker.
    »Werden wir ein Boot ergattern?«, fragte ich Peel besorgt.
    »Mit meinem Brief schon, Sir. Bitte wartet hier. Ich führe die Pferde in den Stall.«
    »Habt Ihr auch den zweiten Brief? Den für Master West?«
    Er klopfte auf seine Satteltasche. »Sicher verwahrt. Ich bin kein Narr, Sir«, fügte er gekränkt hinzu.
    »Natürlich nicht.« Ich blickte zu den Schiffen hinüber. »Aber sputet Euch bitte.«
    Wir stiegen ab, und Peel führte die Pferde weg. Ich sah die gewaltigen Umrisse der
Great Harry
. Es musste ein großer Schrecken gewesen sein an Bord, als man die Franzosen kommen sah. Mein Auge fand die
Mary Rose
, auf der Emma sich mit Leacons Truppe befand. Eine Kompanie Soldaten marschierte die Oyster Street hinunter. Sie waren wohl geradewegs vom Land hergekommen, da sie unentwegt mit weit aufgerissenen Augen aufs Meer hinausstarrten.
    Jemand rief meinen Namen. Als ich den Blick wandte, sah ich Peel. Er stand mit einem Fährmann in einem winzig kleinen Ruderboot. »Sputet Euch, Sir«, rief er dringlich. »Ehe es beschlagnahmt wird.«
    * * *
    Der Fährmann, ein junger Bursche, ruderte geschwind hinaus, vorbei an schwerbeladenen Frachtkähnen. Ich machte in der Ferne die französische Flotte aus, sah, wie die untergehende Sonne einen dichten Wald aus Masten in ein rotes Licht tauchte. Da feuerten sie ihre Kanonen ab, dass es über das reglose Wasser dröhnte. Peel reckte den Hals, die Augen weit aufgerissen.
    »Sie versuchen, uns nervös zu machen«, sagte der Fährmann, »diese französischen Hurenknechte. Sie sind zu weit draußen für einen Treffer.« Er drehte bei und ruderte auf die Kriegsschiffe zu. Einige der kleineren Galeassen hatten sich in den Hafen zurückgezogen, aber etwa vierzig lagen in zwei Reihen vor Anker, zweihundert Schritt voneinander entfernt, und schaukelten leise mit der einsetzenden Ebbe. Wir hielten auf die
Mary Rose
zu. Es war Nacht gewesen das erste Mal, als ich an Bord gegangen war, doch nun, im schwindenden Tageslicht, sah ich erst, wie schön sie war und wie gewaltig dazu: sah ihren mächtigen Rumpf, gegen den sich die hochaufragenden Masten fast zierlich ausnahmen; sah das verschlungene Geflecht des Takelwerks, auf dem die Matrosen herumkletterten; die Deckaufbauten, bemalt mit Streifen und Bändern und Wappen in vielen leuchtenden Farben. Die Geschützpforten waren geschlossen, die Seile, die sie vom oberen Deck aus öffneten, hingen schlaff herunter. Ein Kahn hatte schon beigedreht, und Kisten voller Pfeile wurden durch die Luken unterhalb der Reling auf das Wetterdeck gehievt.
    »Ich rudere auf die andere Seite«, sagte der Fährmann. Wir umrundeten den Bug und die gewaltigen Taue der Zwillingsanker. Hoch über uns prangte an der Basis des Fockmastes die rot-weiße Rose der Tudors. Auf der anderen Seite war kein Versorgungsboot, und wir drehten bei. Wieder rief jemand im Ausguck »Boot ahoi!«, und sogleich erschien in einer offenen Luke ein Gesicht.
    Peel rief hinauf: »Eine Nachricht von Sir Richard Rich für den zweiten Zahlmeister West!« Wenige Augenblicke später warf man uns eine Strickleiter herunter, deren Ende ins Wasser klatschte, dass es spritzte. Peel und ich richteten uns vorsichtig auf, während der Fährmann nach der Leiter griff. Peel beäugte sie mit Argwohn.
    »Folgt mir«, wies ich ihn an. »Es ist nicht so schlimm, haltet Euch fest und achtet nicht auf das Geschaukel.« Ich wandte mich an den Fährmann. »Ihr werdet eine

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